Ich hab in der vorangegangenen Notiz schon betont, wie sehr Sprache und Text grundlegend unterschiedliche Situationen sind.
Das Analoge (Sprache) wird in einem Abstraktionsakt kodifiziert (Text), womit ein Inhalt über die leibliche Anwesenheit hinaus weitergereicht werden kann. Solche Möglichkeiten zu nutzen ist uns heute derart selbstverständlich, daß kaum noch beachtet wird, wie radikal diese Schwelle ist.
Solche Differenz der Situationen, der medialen Bedingungen, hab ich schon als eine vorzügliche Möglichkeit erwähnt, um zu meinen eigenen Texten Abstand zu bekommen, eigentlich: sie endlich kennenlernen zu können.
Welche Kulturleistung das gesamt für unsere Spezies bedeutet, kann man im Alltag leicht erfahren, wenn man etwa mit einem Schnösel kollidiert, der einen mit seiner spontanen Meinung zu einem Thema belästigt, sich dabei jedoch erkennbar nicht mit den Erfahrungen und Ansichten anderer Menschen befaßt hat.
Franz-Robert Wagner und die schalldichte Kabine. (Zum Vergrößern anklicken!)
Derlei – man könnte sagen – monokausale Nervensägen, rennen ja oft in Rudeln herum, haben speziell zu Kunst und zum Kunstgeschehen entzückende Ansichten, die sie dank der aktuellen Mediensituation auch noch aller Welt mitteilen.
Sowas deckt naturgemäß nur diesen ganz schmalen Horizont eigener Ansichten, die von keinerlei Befassung mit dem Wissen anderer Menschen getrübt sind. Welche Wohltat, wenn ich mich im Kontrast dazu mit Menschen treffen und unterhalten kann, die aus Zuneigung zum Thema an Gesprächen über Kunst interessiert sind.
So zum Beispiel im Tonstudio bei Hubert Weninger, als Kammerschauspieler Franz-Robert Wagner meine Gedichte einlas. Dabei konnte ich bestaunen, wie Weninger nicht bloß am Mischpult zu tun hatte. Die Gedichte auf einem seiner Monitore waren quasi eine Landkarte der klanglichen Bedeutungen.
Er begleitete Wagners Sprechen, beachtet jede Nuance, wies darauf hin, wenn er meinte, daß ein Augenblick des Gesprochenen überprüft werden wollte. Faktisch sind hier also auf dem Weg zu einem Tondokument drei Instanzen gefordert. Der Autor ist dabei bloß noch Zaungast. Der Sprecher befaßt sich mit dem Dechiffrieren des Codes, wandelt Text in Sprache.
Der Tontechniker wacht über dem Umstand, daß Mikrophon und Equipment in der Aufnahme weit empfindlicher sind als das menschliche Ohr. Das kann der Text nicht wissen und der Schauspieler nicht kontrollieren. Es ist eine eigene Instanz, diese Zusammenhänge zu harmonisieren. Es ist eine eigene Aufgabe.
Was nun die Sache der Kunst sei, haben wir auch anschließend erörtert, als wir Karl Irsigler in seiner Galerie besuchten. Er ist auf Kunst nach 1945 und klassische Moderne spezialisiert. Also auf einen Bereich, der eminent beeinflußt, auch geprägt hat, wie wir heute denken und denken. (Darauf werde ich hier noch näher eingehen.)
Auf dem Rückweg von Wien sind wir zu Franz und Erni Lang abgebogen, deren Gasthaus in Bruck an der Lafnitz eine sensationelle Küche bietet. Ich erwähne das, weil es uns nicht nur ein geschmackliches Vergnügen beschert hat, sondern Anlaß für eine wichtige Unterscheidung bietet. Was Franz Lang als Koch leistet, liegt weit über dem Durchschnitt. Es ist umgangssprachlich durchaus üblich, das als eine Kunst zu bezeichnen, wie man ja von Kochkunst spricht.
Wer verstünde nicht, daß dies ein anderes Genre als die Gegenwartskunst ist? Hier also meint das Wort Kunst die Kunstfertigkeit. Eine Kategorie, die auch im Kunstschaffen, wenn wir von Gegenwartskunst sprechen, eine relevante Rolle spielen kann, aber nicht muß.
Das eine, die Kochkunst, teils sich uns ebenso über Wahrnehmungserfahrungen mit wie das andere, die Gegenwartskunst. Aber man müßte ein Agent der Blödheit sein, das nicht kategorial unterscheiden zu können. (Zu Franz und Erni Lang siehe meine Notiz „Schwarze Lafnitz“!)