Lyrik #8: Marktlagen und Engagement

Ich finde es nützlich, wenn Leute wie wir konkret begründen können, weshalb ein privates Engagement für die Lyrik unverzichtbar bleibt.

Gedichte von Alois Hergouth in einer privaten Edition.

Mehr noch, es ist fundamental. Vor allem als ein zivilgesellschaftliches Engagement. Das hat von Zeit zu Zeit sehr unterschiedliches Gewicht, ist dabei auch abhängig von Konjunkturen im Verlagswesen, also von Marktsituationen.

Wenn ich hier den Begriff Marktgrößen verwende, dann meine ich damit relevante Literatur, die gelegentlich großes Publikumsinteresse findet, was den Literaturbetrieb zum Brummen bringt. Denken Sie zum Beispiel an Erich Fried. (Einen Pablo Neruda haben wir in Österreich nicht.)

Ingeborg Bachmann erlebt derzeit wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Ob das aber dem Absatz ihrer Lyrik einen Kick verpaßt, bleibt abzuwarten. Die zeitweise Popularität von Gerhard Rühm, Friederike Mayröcker oder Ernst Jandl war sicher bemerkenswert. Ich glaube aber nicht, daß sie von ihrer Lyrik ein passables Einkommen hatten.

Was der Markt leistet
Es ist ja überhaupt und grundsätzlich so, daß in Österreich annähernd niemand mit rein künstlerischer Tätigkeit ein angemessenes Jahreseinkommen erwirtschaften kann, von dem sich leben ließe.

Die wenigen Kräfte, denen es gelingt, auf dem Markt ausreichend Umsatz zu machen, damit der Profit zum Leben reicht, sind so geringer Zahl, daß wir sie nicht für repräsentativ halten müssen. (Kleiner Einwurf: In meiner Betrachtung sind Genres wie Poetry Slam ausgespart, weil ich da nicht sachkundig bin.)

Seit Jahrzehnten ein Standard beim Genre Lyrik.

Es verlangt ein Leben in der Kunst generell eine Vielfalt an verschiedenen Strategien zum Broterwerb. Nehmen Sie zum Beispiel H. C, Artmann. Ein Gigant der österreichischen Nachkriegs-Literatur. So viel ich weiß, mußt er vor allem als alter Mann um sein Auslangen zittern. „Und so habe er sogar die eigene Armut, die ihn wiederholt für längere Zeit ins Ausland führte, mit einem Achselzucken ertragen.“ (Ronald Pohl in „Dichter H. C. Artmann: Sprachgenie, Druide und Ethiker“)

Es ist dann eben der Staat, dessen unterschiedliche Förderprogramme ein nationales Literaturgeschehen sichern. Langweilen Sie mich bitte nicht mit Klagen darüber. Es ist einfach so: Was sich nicht als marktfähig erweist, muß per gesellschaftlichem Konsens als wertvoll deklariert und staatlich kofinanziert werden.

Es gibt keinen Beleg, daß Lyrik in Österreich generell markttauglich wäre, also die Autorinnen und Autoren ernähren könnte. (Im Pop-Business ist das anders.) Aber das gilt ja auch für übrige Genres, zum Beispiel Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Altersvorsorge… All das überlassen wir nicht dem freien Markt

Kenne Deine Branche!
Falls Sie Gedichte schreiben, sollten Sie die Branche einschätzen können. Ich bleib kurz bei den steirischen Verhältnissen. Um das Verlagswesen zu skizzieren, bevorzuge ich eine maritime Metapher. Wir sehen a) Tanker, b) Yachten und c) eine Flottille unterschiedlich kleiner Schaluppen, Jollen, Dingis, Kanus.

Mit dem a) steirischen Tanker meine ich zum Beispiel Styria oder Leykam. Das sind komplexere Konzerne. Mit einer b) Yacht meine ich etwa Droschl, eventuell auch Keiper. Vermutlich sollten hier Literaturmagazine wie die Lichtungen, manuskripte oder perspektive zugerechnet werden. Aber die bezahlen – soweit ich weiß – keine Honorare.

Ein bedeutender steirischer Dichter der Zweiten Republik.

Mit der Flottille meine ich unter c) die vielen kleinen Editionen, Litmags und Eigenverlagsprojekte. Da kommt bestenfalls genug Geld rüber, um die Produktionen halbwegs kostendeckend im Kasten zu haben. (Oft nicht einmal das.) Existenzsichernd ist daran nichts.

Und die Honorare für Lesungen? Sehen Sie sich die von der IG Autorinnen/Autoren empfohlenen Mindestsätze an: [Link] Erzählen Sie mir dann, wie viele Häuser Sie kennen, die Sie mit Lyrik buchen und dafür € 400,- plus Spesen locker machen. Viel kommt da nicht zusammen.

Bleiben die Verlagshonrare. Wenn Sie einen recht guten Vertrag haben, bekommen sie zehn Prozent vom Verkaufspreis eines Buches. Sollten sie einen passablen Vertrag haben, sind es fünf bis siebeneinhalb Prozent. Rechnen Sie nun hoch, wie viele Bücher verkauft werden müssen, damit einmal wenigstens brutto € 1.500,- bei Ihnen ankommen, was dann netto merklich weniger ist.

Grund zur Klage?
Erzählen Sie es bitte nicht mir. So ist eben der Markt, so geht es der Lyrik. Dem Publikum können Sie keine Vorschriften machen. Das bedeutet auch, wenn es diese privaten Initiativen nicht gäbe, ein Engagement, wie es sich zum Beispiel im „Lyrik.Treff.Punkt“ äußert, den Autorin Karin Klug in Graz initiiert hat, wäre Lyrik etwas, das sich überwiegend in düsteren Nischen ereignet, von ein paar lichteren Momenten der allgemeinen Aufmerksamkeit durchbrochen.

Vielleicht ist das auch ganz okay so. Literarisch relevante Lyrik ist eben kein Produkt der Unterhaltungsindustrie. Sie ist Ausdruck eines geistigen Lebens, das sich nicht nach Markttauglichkeit verzehrt, sondern eine andere Art von Gewinn ergibt. Wie gut, daß sich Menschen dafür aus freien Stücken engagieren. Jeder Beitrag zählt.

Überblick
+) Lyrik (Ein Schwerpunkt)
+) Alois Hegouth, ein Nachruf von 2002

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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