Die Faustregel besagt: The Blues Had a Baby and They Named It Rock and Roll. (So heißt ein Song von Muddy Waters.)
Das kommt ungefähr hin. Weiterführende Deutungen besagen, daß die Musik der Schwarzen mit Elementen der Musik Weißer in Wechselwirkung kam, etwa Country und Bluegrass, so entfaltete sich etwas Wuchtiges.
Im englischsprachigen Raum nennt man die Gedichte Poems, während Lyrics Songtexte meint. Spätestens seit His Bobness Dylan einen Literaturnobelpreis erhalten hat, gilt als unbestreitbar amtlich, daß Songtexte und Gedichte überaus verwandt sein können.
Diese Sichtweise wurde natürlich auch oft angefochten, aber das macht nichts. Die Songs der Popularkultur kamen anfangs ausschließlich von Menschen, die weder an der bürgerlichen Kultur geschult waren, noch an höfischen Kulturkonzepten. Also muß man ihre Texte auch nicht an Rilke oder Pablo Neruda überprüfen.
Sieht man bei unserer eigenen Volksmusik nach, und damit meine ich nicht Produkte der Unterhaltungsindustrie, sondern Musiken, die tatsächlich von der Basis her kommen, von Subalternen, dann findet man da wunderbaren Klartext, manchmal rohe Sprache, lustige Verzierungen, listiges Augenzwinkern, Esprit, Sozialkritik und sogar erotische Unverfrorenheit.
Voilà! Ich hab in „Lyrik #5: Volkes Stimme“ ein paar verwandte Beispiele von witzigen Grabinschriften gezeigt, die auch in solche Betrachtungen passen.
Der Prediger
Hier aber nun einer der Meilensteine des Rock & Roll, weil es kaum anschaulicher geht. Schon die erste Zeile des Songs von Little Richard steht wie ein Monument in der Popkultur des 20. Jahrhunderts und könnte so auch ganz für sich bleiben: „Awop-bop-a-looma, alop bom bom!“
Das mag man als Lautmalerei deuten, wie etwa im Scatgesang, den Sie bei Jazz und Gospel finden. Aber der Bildungsbürger in mir liest es als Text und flüstert: Dadaismus!
Apropos Scat! John Paul Larkin machte uns alle in den 1990ern mit diesem Genre vertraut. Er litt von Kindheit an unter seinem Stottern, setzte das aber als Scatman John in einem Hadern um, dem man seinerzeit kaum entkommen konnte. Ein Lied über das Stottern. Das finde ich schon ziemlich gut, Pre-Chorus:
Ski-bi-dibby-dib yo-da-dub-dub, yo-da-dub-dub
Ski-bi-dibby-dib yo-da-dub-dub, yo-da-dub-dub
I’m the Scatman
Ski-bi-dibby-dib yo-da-dub-dub, yo-da-dub-dub
Aber zurück zu Littler Richard! Handgeschnitze Lyrik, könnte man sagen, wenn auch nicht für einen Nobelpreis gut, aber sehr einggängig:
„Tutti frutti, oh Rudy / Tutti frutti, oh Rudy / Tutti frutti, oh Rudy / Tutti frutti, oh Rudy / Tutti frutti, oh Rudy / Awop-bop-a-looma, alop bom bom!„
Gehen Sie ruhig davon aus, daß eine der raffinierteren Passagen des Song sehr sexueller Natur ist, was von der Plattenfirma klarerweise entschärft wurde:
„I got a girl, named Sue / She knows just what to do / I got a girl, named Sue / She knows just what to do / She rock to the east / She rock to the west / But she?s the girl / That I love best„
Aber wenn etwa die mit klassischer Musikausbildung gerüstete Nina Simone „Need a Little Sugar in My Bowl“ singt, wissen wir ja auch, was gemeint ist. Jedenfalls finde ich das Augenmerk auf Songtexte unverzichtbar, wenn man sich für Lyrik begeistern. Da gibt es eben diese sehr schlichten, volkstümlichen Varianten, da gibt es aber auch genug von erheblicher literarischer Qualität. (Sie finden alle hier erwähnten Songs auf Youtube.)
+) Lyrik (Ein Schwerpunkt)