Es geht mir diesmal um das Ende der Dampfmaschinen-Moderne und darum, was mit der Bezeichnung Vierte Industrielle Revolution gemeint ist.
Es geht aber auch darum, was davon erzählt werden kann, was sich überdies mit Mitteln der Kunst bearbeiten läßt. Wir haben als Gesellschaft eine Reihe von guten Gründen, das Verhältnis zwischen Menschen und Maschinen neu zu deuten. Ein komplexes Vorhaben.
Wir sind heute mit sehr smarten Maschinensystemen konfrontiert. Was macht nun das Menschsein im Kontrast zu diesen Innovationen aus, da wir seit rund zweihundert Jahren in einer permanenten technischen Revolution leben?
Das läßt sich unter anderem am Beispiel des Puch G bearbeiten. Dank seiner langen und durchgängigen Geschichte bietet dieser Prozeß anschauliche Details. Dabei ergeben sich allerhand Anknüpfungspunkte zu anderen Bereichen, die gesamt in unserem Projekt „Archipel“ eine Rolle spielen.
Epochen
Ich rechne die Digitale Revolution der 1970er noch zur Dampfmaschinen-Moderne. Was die EDV seit damals in unser aller Leben brachte, veränderte die Kommunikationsprozesse und die Produktionsweisen, das Transportwesen etc. Kaum etwa blieb von diesen Entwicklungen ausgenommen.
Jene Dritte Industrielle Revolution forcierte mit der Digitalisierung ein Entstehen von abstrakten Maschinen. Das meint Maschinen, deren Formen und Aussehen uns ihre Funktionen nicht mehr offenbaren, wie das davor meist der Fall gewesen ist. Die konkrete Maschinen bildet durch ihre Form ihre Funktion ab. Sie kennen den Satz „Form follows function“? Das prägte aus dem 19. Jahrhundert heraus die vergangene Ära.
Heute haben Rechenmodelle in Computern, Instant Prototyping, Computerized Numerical Control, also CNC-Fräsen und andere derartige Apparate in den Werkshallen, Printer für Industriekeramik und Metall-Objekte etc. den Lauf der Dinge verändert, was auch bedeutet: in manchen Systemen kommunizieren Gegenstände eigenständig miteinander. (Internet der Dinge etc.)
Die Umbrüche
Am Beispiel der historischen Puchwerke kann man sehen, daß wenigstens bis zur Jahrhundertwende an etlichen Stellen der industriellen Produktion kluge Handwerker mit ausreichender Materialkenntnis, Handfertigkeit und Erfahrung unverzichtbar blieben. (Allerdings wurde Fachwissen zunehmend an die Software von Maschinensystemen abgegeben.) Ist das endgültig vorbei?
Ich hab das in meiner Serie „Die Mechanisierung der Welt“ skizzenhaft beschrieben. Der Umbruch auf dem Weg zur „Smart Factory“ und anderen technischen Innovationen offenbarte sich zum Beispiel darin, daß der Computer, mit dem ein Schachgroßmeister geschlagen werden konnte, noch von Menschen programmiert wurde, die dazu ihr Schach-Know how an die Maschine übergeben haben. Menschliches Wissen wurde durch Computer verstärkt.
Um schließlich Meister des sehr viel komplexeren Go-Spiels zu schlagen, lief das radikal anders. Das gelang durch „Maschinenwissen“. Dazu wurde geeignete Software nicht von Menschen, sondern von Maschinen entwickelt. „Scientific American“ berichtete im Jänner 2016: „Hui and AlphaGo played a full-size game on a 19 by 19 grid board.“ Das Computerprogramm AlphaGo schlug einen Meister nach dem anderen. Siehe dazu: [Link]
Ein frühes Exempel für die Leistungsfähigkeit selbstlernender Systeme. Zugleich ein Denkanstoß für uns. Das ist eben nicht mehr die Dampfmaschinen-Moderne. Das ist eine andere Ära. Wer je einer großen CNC-Maschine bei der Arbeit zuschauen konnte, hat schon eine passable Vorstellung, wo wir nun angelangt sind.
Auch Logistik-Roboter und vollautomatische Lagerhallen oder Fertigungsstraßen bieten dazu markante Eindrücke. Oder steigen Sie in ein aktuelles Automobil und sie merken, was sich an dieser Fahrmaschine alles verändert hat, wenn Sie das zum Beispiel mit einem Opel Kadett oder VW Käfer aus den 1960ern vergleichen.
Unser Ansatz im „Archipel“
In der Antike stand das Wort „téchne” gleichermaßen für Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Das verschob sich zügig, hat sich gründlich ausdifferenziert. Aber es bleiben bis heute einige gemeinsame Quellen, aus denen in diesen Genres gleichermaßen geschöpft wird. Mehr noch, nach über zweitausend Jahren rücken ein paar Bereiche wieder merklich zusammen.
Im März 2009 hatte ich notiert. „Bei ihrem Vortrag im ‚Kunsthaus‘ bezog Vesna sich ausdrücklich auf Buckminster Fuller. Da kam ein Bonmot vor, das etwa besagt: ‚Je entwickelter die Kunst ist, desto mehr ist sie Wissenschaft. Je entwickelter die Wissenschaft ist, desto mehr ist sie Kunst’…“ [Quelle] (Das war auf die Künstlerin Victoria Vesna bezogen.)
Und das Handwerk? Es heißt oft, die sei „eine Kunst“, das aber „ist keine Kunst“. Damit ist eigentlich Kunstfertigkeit gemeint, Geschick, Können. Kunst als Gegenwartskunst ist ein anderes Thema. Die Kunstfertigkeit steht vor allem für a) was der Verstand leistet und b) was die Hände davon umsetzen können. (Das Thema Gegenwartskunst hab ich grade mit mehreren Folgen von „Leben in der Kunst“ ein wenig aufgearbeitet.)
Übersicht
+) Mythos Puch IX
++) Archipel (Ein Logbuch)