Die Sprache hat eine Seele. Nicht von sich aus. Aber Menschen können, wenn es ihnen wichtig ist, etwas davon einfügen.
Wird daraus Text, dann kann so ein Ganzes Menschen überdauern; über Generationen, mitunter einen sehr langen Zeitraum. Ohne diese Möglichkeit wüßten wir viel weniger von der Welt und von einander.
Der bosnische Schriftsteller Muhidin Saric ist ein leiser, fast schon stiller Mensch. Wir sind uns ein paar mal begegnet. Dabei hat er mich mit seiner Haltung beeindruckt. Andere würden für einen Bruchteil dessen, was er kennengelernt hat, zu Zynikern oder groben Leuten werden. Er nicht.
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Das hat vielleicht damit zu tun, wie sehr er auch Sprache ist, in mehr als bloß einer Welt zuhause. Ich kenne etliche seiner Gedichte im Originalton der Sprache, von der ich bloß wenige Worte verstehe. Lyrik lebt wesentlich vom Klang der Worte. Also ist das wichtig; wie der Ursprungstext klingt. Auch der Sprachrhyhtmus findet im Bosnischen eine völlig andere Situation als im Deutschen.
Das Atmen spielt dabei ebenfalls eine Rolle, wie es übrigens seit alten Zeiten mit der Seele assoziiert wird. Ich finde, Gedichte wollen auch gesprochen werden. Sie sind ja Schnittstellen zur Welt vor der Schriftkultur, als in Epen Wissen bewahrt wurde.
Ich denke, wer davon nichts weiß, ist zum Schreiben von Gedichten schlecht gerüstet. Saric ist mir von einer unserer Sessions her bis heute durch die erste Zeile des ersten Gedichtes in jenem Lyrikband mit dem Titel „Dunkle Höfe“ erinnerlich.
Ich hab den Klang noch im Ohr: „Gust mrak“. Das erste Wort lang ausgesprochen, das zweite kurz. Die Zeile bedeutet „Dichte Finsternis“. Keine Pose. Saric hat im Herzen der Finsternis überlebt. Das waren die Lager Keraterm und Trnopolje, als serbische Kräfte in den 1990er Jahren dort systematisch gefoltert und gemordet haben.
Saric las die Gedichte in seiner Muttersprache. Ich saß neben ihm, um die Übersetzungen ins Deutsche zu lesen. Es gab Momente, in denen ich aussetzen mußte, weil mir zu schwer wurde, wovon die Gedichte handeln. Dann bin ich aber auch vergnügt gewesen.
Wie hätte man jenen Folterern und Mördern besser ausrichten können, daß ihr Werk bedeutungslos ist, wenn dem auch bloß ein gutes Gedicht gegenübersteht? Was für eine kraftvolle und elegante Geste in die Richtung dieser Widersacher, ihre Unsäglichkeit mit einem ganzen Bündel vorzüglicher Gedichte zu erwidern! [Bibliographisches]
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