Von Monika Lafer
Mit einem Kräutertee als Ausgangspunkt formte sich eine neue Idee für eine Leinwand: Wie kann man Tee, der so unaufdringlich und angenehm schmeckt, bildnerisch zeigen? Als Malerin nähere ich mich meinen Motiven sehr nahsichtig, in den vielen Wiesenausschnitten klebe ich mit der Nase fast am Boden.
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Und nun sehe ich mir die Teekanne von oben an und gehe näher dran. Es dampft, wird verschwommen. Menschliche Wahrnehmung und ihre Qualitäten.
Der Kunsthistorikerin fällt da sofort Mark Rothko ein: ungrundierte Leinwände, schwebend anmutende Farbflächen, präzise umgesetzt. Selbstverständlich wird dieser bekannte Ansatz aufgegriffen – ich entscheide mich (mal wieder) bewusst gegen Vorleimen und Gessogrundierung, als ich mit der Leinwand beginne.
Viele Kompositionsschemen werden skizziert und auf ihre Tauglichkeit geprüft. Schließlich setzen sich Kalt-Warm-Kontrast als Farbschema und Diagonale mit Kreis als Form durch. Worüber bereits Kandinsky viel geschrieben hat (Über das Geistige in der Kunst, Kompositionsprinzipien, …), wird hier praktisch erprobt und umgesetzt. Mark Rothkos Bilder habe ich zu diesem Zeitpunkt übrigens wieder ausgeblendet, zu sehr beschäftigt mich die Umsetzung meines Motivs.
Als nächstes geht es an eine Tasse Kaffee. Auch hier entscheide ich mich für die Vogelperspektive und nicht für eine Seitenansicht. Es ist mir hier wichtig, den Untergrund genau in Flächen zu teilen und diese mit einem Element (dem Henkel) kompositorisch aufzubrechen. Der dunkle Bereich zeigt eine Wiederholung der Kreisformen – so wie man eine größere Tasse Kaffee immer wieder im Laufe einer Alltagstätigkeit nimmt und an einem anderen Ort abstellt. Dabei hinterlässt sie mitunter ringförmige Spuren, die nicht jeden erfreuen.
Auch diese Leinwand wurde nicht grundiert, die Maße (80x60cm) wurde als Hochformat gewählt, was eher einem Porträt als einem Stillleben zuzuordnen wäre. Die Kanten der Flächen wurden sehr klar ausgeführt, es gibt hier im Hintergrund keine weichen Übergänge. Ad Reinhardt und Hard Edge, das kennt man aus der Kunstgeschichte seit mehreren Jahrzehnten. Wieder nichts Neues erfunden. Und es ist völlig egal, denn es macht Freude, auf so eine Vielfalt an Möglichkeiten geistig zugreifen zu können.
Übrigens unterscheidet sich solch ein Zugreifen auf die Vorleistungen anderer deutlich von Trittbrettfahrerei mancher Marktbegleiter: Es ist nämlich nicht „Malen wie Mark Rothko“ oder „Malen wie Ad Reinhardt“, also ein unablässiges Schielen auf den Markt mit seinen Benchmarks, die schon einmal gut funktioniert haben. Denn – seien wir uns ehrlich: was passiert, wenn ich Warhols Suppendose male? Nix. Weil es keinen interessieren wird.
Es lohnt sich vielmehr, an eigenen Inhalten dranzubleiben. Da kommt es auch vor, dass Begeisterung in mir losbricht. Möglicherweise war es vorher eine ziemliche Hackn, vielleicht aber auch nicht. Die Obsession hat sich ihren Weg gebahnt und ich hab mich wie ein Terrier an meinem Thema festgebissen – nämlich, wie ich die Charakteristika der Heißgetränke bildnerisch umsetzen und sie dabei formal verdichtet zeigen kann (und nicht wie Omas Geschirr nett drapiert). Das bedeutet, ich habe mir etwas vorgenommen, das ich unbedingt mit meinen Mitteln bearbeiten will. Weil ich etwas wissen will, weil mich der Prozess interessiert, was da in Gang kommt, und so weiter und so fort.
Mein Wissen über Vorleistungen anderer flackert dann eher als (Wieder)Erkennen im Arbeitsprozess auf: „ja, das war offenbar der Ausdruck, der Mark Rothko ganze Welten erschlossen hat“ und ich hab ein Stück Kunstgeschichte praktisch verstanden und gleichzeitig als Malerin etwas gelernt. Nämlich, wie etwas präzise formuliert wird. Und oh, Wunder, plötzlich stimmt auch das Ergebnis, von dem ich in diesem Fall keine allzu konkrete Vorstellung vor dem Arbeiten zugelassen habe.
Ähnlich ist es beim Kakao – er wird für die Skizze extra zubereitet: Milch, Wasser, Kakaopulver und Honig aufkochen, ständig umrühren (ich verabscheue Milchhaut).
Ein grobes Leinengewebe wird auf einen schwach hochformatigen Keilrahmen gespannt (70x60cm), als die Komposition gefunden ist: diffuser Hintergrund, dessen Farben mit jenen des Kakaos verschränkt werden.
Ich erinnere mich dabei an die Meisterklasse: „Die Farben müssen überall im Bild vorkommen“ hieß es da in Anlehnung an die Nachfolger des österreichischen Expressionismus. Selbstverständlich hatte diese Auffassung ihre Gegner in Gestalt von Künstlern, die sich speziell von dieser österreichisch gefärbten Malerei abwandten.
„Da kommt nix mehr“, hieß es dann und man wurde als rückständig wahrgenommen. Denn es gehe sowieso nur mit Konzeptkunst weiter, das müsse uns Meisterschülern klar sein. Außerdem „schaffen es“ eh nur wenige. Vermutlich war der Kunstmarkt gemeint.
Mich hinderte niemand daran, mich an der Auffassung von Hans Szyszkowitz, einem Maler in der Nachfolge Kokoschkas, abzuarbeiten. Ich folgte meiner Freude an der Malerei, entwickelte die Plein-Air-Malerei weiter (und hatte einige Zeit einen anderen Job als Broterwerb, um mir eine derartige Haltung wirtschaftlich leisten zu können), mich zu verbiegen kam nicht in Frage.
Mit der Zeit verstand ich immer weniger, was eigentlich so unkonzeptionell an Malerei war. (Dieses Zitat wird allerdings dem Maler Peter Doig zugeschrieben, nicht mir. 😉 ) Es gibt Inhalte, Obsessionen und Rhythmus auf den Leinwänden.
Das – für mein Wahrnehmen radikal übertriebene – Abwenden von etwas, war für mich zuallererst immer ein wenig verdächtig. Wurde es von Abschätzigkeit für das Alte und Predigtdienst für das eben erst Neuentdeckte begleitet, bestärkte es meine Wahrnehmung: Da hat jemand das Licht gesehen und muss es nun allen Ungläubigen bringen. Für mich bedeutete sowas: Flucht. In die richtige Richtung.
Zeit.Raum Gleisdorf
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