Bevor ich mit den Ausführungen von Architekt Winfried Lechner und seiner Erläutertung des Themas “Platz“ fortfahre, ein kleiner historischer Exkurs.
Dom, Palais und Marktplatz, von einer Mauer umgeben? Ich werd mich jetzt nicht im Mittelalter umtreiben, dann Gleisdorf erwuchs aus der agrarischen Welt, war erst ein Markt, wurde 1920 zur Stadt erhoben.
Bezüglich des Auftakts dieser Notizen: Die Gewannflur ist eine Art der Aufteilung von Ackerboden, wie sie auf die Zeit der Landnahme zurückgeht. Innerhalb der Gewanne konnten Bauern einzelne Streifen besitzen. (Dazu gab es als gemeinsames Gut berechtigter Bauern die Allmende.)
Dieses Grundmuster kann man in Teilen der Stadt heute noch entdecken. Vor allem manche Häuser einiger Familien am Hauptplatz und am Florianiplatz sind zur Straße hin nach wie vor mit Geschäften präsent; von Elektro Kurtz über Mörath bis zur Stadtapotheke.
Dahinter finden sich zum Kessel und zum Hohenberg hin immer noch Reste der alten Streifen, die inzwischen teilweise über Erbfolge und durch Verkäufe fragmentiert wurden. Der Digitale „Atlas GIS Steiermark“ bietet zum Beispiel Kartenmaterial von 1822. Da sieht man, wie hinter den Bürgerhäusern und hinterm Rathaus landwirtschaftliche Flächen gegliedert waren. [Größerer Kartenausschnitt]
Die Landvermessererei kann noch nicht lange, was sie heute kann. Aus Gesprächen mit Bürgermeistern der Umgebung weiß ich von Situationen, in denen ein aktuelles Bauvorhaben genaue Daten verlangt. Plötzlich wird in aktueller Vermessung offenkundig, daß gegenüber den alten Aufzeichnungen ein ganzer Grundstücksstreifen fehlt.
Grundstücksgrenzen waren einst Anlaß zu Rechtsverletzungen, die mit einer eigenen Begrifflichkeit erzählt werden. Das heimliche Versetzen eines Grenzsteines („Roanstoan“) wurde zu manchen Zeiten mit entsetzlichen körperlichen Strafen geahndet. Das „Roanschindn“; also die Verletzung des Rains, der Flurgrenze, ist bei uns in einer gängigen Redensart erhalten. „Umman Weg undn Roan is die Wölt ollwal zkloan“. („Um den Weg und den Rain ist die Welt immer zu klein.“)
Weg und Rain, einstmals taugliche Grundstücksgrenzen, haben also bei genauer Nachschau oft gefehlt. Man geizte mit den Flächen, ganz egal, wie viele Hektar man besaß. Und manchmal entbrannten Familienstreitigkeiten, wo ein Baum als überlieferte Grenzmarkierung genannt wurde und die Gegenseite das nicht anerkannte.
Der Dorfplatz oder Marktplatz als soziale Drehscheibe ist bestenfalls noch Metapher, gelegentlich Folklore. Und heute? In meinem Dialog mit Lechner kam Architekt Camillo Sitte zur Sprache, der 1843 bis 1903 gelebt hat. ich hab in seinem Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ nachgesehen, wie er an das Thema Platz herangegangen ist.
In der Einleitung heißt es: „Zu unseren schönsten Träumen gehören angenehme Reiseerinnerungen. Herrliche Städtebilder, Monumente, Plätze, schöne Fernsichten ziehen vor unserem geistigen Auge vorüber, und wir schwelgen noch einmal im Genüsse alles des Erhabenen oder Anmuthigen, bei dem zu verweilen wir einst so glücklich waren.”
Folgende Passage finde ich für die heutige Situation sehr anregend: “So ist die Bedeutung der freien Plätze inmitten der Stadt (eines Forums oder eines Marktplatzes) eine wesentlich andere geworden. Heute höchst selten zu grossen öffentlichen Festen verwendet und immer weniger zu täglichem Gebrauch, dienen sie häufig keinem anderen Zweck, als mehr Luft und Licht zu gewähren, eine gewisse Unterbrechung des monotonen Häusermeeres zu bewerkstelligen und allenfalls noch auf irgend ein grösseres Gebäude einen freieren Ausblick zu gewähren und dieses in seiner architektonischen Wirkung besser zur Geltung zu bringen. Ganz anders im Alterthume. Da waren die Hauptplätze jeder Stadt ein Lebensbedürfniss ersten Ranges, indem auf ihnen ein grosser Theil des öffentlichen Lebens sich abspielte, wozu heute nicht offene Plätze, sondern geschlossene Räume verwendet werden.” [Wird fortgesetzt!]
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