Gedichte nach Auschwitz I

Ich habe einige Zeit zum Nachdenken gebraucht, auch einige Gespräche, Debatten, um einen speziellen Aspekt meiner Arbeit schlüssig auf den Punkt zu bringen.

Das war nun dichter geworden, als ich gemeinsam mit Fotograf Richard Mayr begonnen hatte, ein Buch zu erarbeiten, das ich für eine wichtige Markierung in einem aktuellen Prozeß halte. (Siehe dazu: „An solchen Tagen“!)

Was nun unsere Denkräume angeht, habe ich mit Mayr jemanden zur Seite, der in einem weitreichenden Kontrast zu dem steht, was meine eigene Lebensgeschichte ist. Dazu gibt es meine laufenden Notizen in der Leiste „Raum“ (In welchen Koordinaten ordnen wir unsere Erzählungen an?).

Der Titel eines der einleitenden Texte ist für mich zugleich eine Metapher: „Die Bewältigung der Wildnis“. Wir kennen etliche Varianten von Wildnis, in der menschliches Leben und menschliche Gemeinschaft bedroht werden. Manche dieser Varianten ist von Menschen gemacht.

In der Nähe
Das kommende Buch „An solchen Tagen“ ist eine Reaktion auf unsere jüngeren Naturerfahrungen. Das wird sich nun als eine Art Pas de deux in Wort und Bild manifestieren; für meinen Teil ganz ausdrücklich als die Bemühung um eine zeitgemäße Form der Naturlyrik.

Wo der Begriff Wildnis zum Bild wird, ist es für uns ein Vexierbild. Selbst leichte Verschiebungen des Blickwinkels zeigen uns ganz unterschiedliche Motive. Nun also diese Bemühung um Balance. Was ist das Buch selbst, was ist der Kontext, wo soll welcher Aspekt des Ganzen welches Gewicht bekommen?

Mayr und ich sind uns derzeit einig, das Buch solle ein starkes Argument zur Hinwendung an das Leben und an die Lebensfreude werden. Es möge sich als Einwand gegenüber jenen destruktiven Gruppen eignen, die sich vormachen, in Waffen zu gehen und sogar das eigene Leben zu verachten, um die Welt zu einem angeblich besseren Ort zu machen, sei eine relevante Position.

Wir verschließen Augen und Ohren nicht vor den Grausamkeiten, die offenbar rund um die Welt nicht abreißen. Es ist genau die Wahrnehmung solcher Zustände, mit der wir uns nach guten Möglichkeiten umsehen, das Morbide und die Verachtung für das Leben zurückzudrängen.

Wie wir das als Individuen machen, ist die eine Sache, ist etwas Privates. Aber bei einem Leben in der Kunst, das uns mit Werken nach draußen gehen läßt, stellen sich dieser Fragen etwas anders.

Philosoph Theodor W. Adorno war der Ansicht, nach Auschwitz solle man keine Gedichte mehr verfassen, denn „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch…“ (1949). Dagegen ist heute zu sagen: Wir dürfen nicht zulassen, daß Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Erde verfinstern. Die Kunst schweigt nie. In der Zuwendung zum Leben liegt eine gewichtige Gegenpositionen zur Tyrannei. [Fortsetzung]

Übersicht
+) An solchen Tagen
++) Raum der Poesie

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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