Archipel: Artist Is Obsolete

Da ist diese alte Phantasie aus dem 18. Jahrhundert, wonach in manchen Menschen ein Genie stecke, das einen zu singulärer Exzellenz befähigen soll, was der Verehrung würdig sei.

Selman Trtovac (links) und Martin Krusche in der Debatte.

Dieses Konzept ist heute nicht mehr von Belang. Aber was? Ich habe solche Fragen in unserem 2017er Kunstsymposion unter anderem mit dem Belgrader Künstler Selman Trtovac erörtert. Dabei stand eine Reihe von Veranstaltungen unter dem Titel „Artist Is Obsolete“, den ich von Künstler Niki Passath bezogen hab.

Um Beachtung zu flehen ist ja ein wenig würdelos. Die Anerkennung von „Systemrelevanz“ der Kunst zu erbitten führt in einen Nebel, der keinerlei Klarheiten birgt. Wir aber nehmen voneinander Notiz, betrachten die Arbeiten anderer, überprüfen unser Leben in der Kunst auf Relevanz.

Darin steckt ein kleiner Hinweis auf jene 2011er Installation von Selman Trtovac mit dem Titel „ Ja volim i umetnost drugih“. Das bedeutet: „Ich liebe auch die Kunst anderer Leute“. Das ist nur einer von mehreren prägnanten Sätzen, die ich von Selman behalten hab. Darauf werde ich hier später noch näher eingehen, um im „Raum der Poesie“ eine konkrete Position herauszuarbeiten.

Das Genie und die Pose
Im 18. Jahrhundert war die Aufklärung noch jung und mindestens in Kreisen der Aristokratie hatte die Idee vom Gottesgnadentum nach wie vor eine gute Kondition. Diese Gottesgnaden-Nummer ist attraktiv. Der Herr segnet einen mit besonderen Weihen, was Status und Legitimation erzeugt.

Vom Genie ist heute im Grunde bloß geblieben, daß sich daraus eine Spießer-Nummer schneidern läßt, die auf selbstreferenzielle Art funktioniert. Der Spießer stellt sich als Gegenüber ein Genie zurecht, welches tüchtig verehrt werden kann. Dabei muß es sich seinem engeren Publikum gewogen erweisen, damit das mit dem Aufbau von Distinktion für beide Seiten klappt, ein immaterieller Leistungsaustausch stattfindet.

Ist ein Diskurs dokumentiert, läßt sich leicht prüfen, was schon als geklärt gilt.

In Gleisdorf hatte das zuletzt mit seinen schrulligen Glanzpunkt, als ein Kunsthandwerker, dessen gesamtes Werk garantiert in keinem seriösen Diskurs über Gegenwartskunst vorkommt, sich als „Universalkünstler“ promoten ließ, weil er neben dem Handwerken auch ein wenig malt und perfomiert.

Zack! Schon war dieser Begriff Universalkünstler, der im Kielwasser von Leonardo eigentlich mit Kalibern wie Kolo Moser oder Jean Cocteau assoziiert wird, auf ein provinzielles Maß herunter-skaliert. So hat es dann auch das offizielle Gleisdorf beworben. (So werden Kunst und Kultur zu Mägden des Marketings.)

Okay, kann man machen, wenn man einen schmalen Horizont braucht, um im Distinktions-Geschäft unterzukommen. Da sind dann in den Berichten auch alle erwähnten Kräfte der Provinz plötzlich „renommiert“ und gelten ferner als „international“, wofür schon reicht, einmal im Friaul oder in Slowenien ausgestellt zu haben. (Niederbayern ist merklich schwieriger zu haben.)

Begriffe
Auch gut! So formieren sich unterschiedliche Felder und Milieus. Die Kunst verlangt ja, wie auch die Demokratie, vor allem das: Antwortvielfalt. Aber wenn wir keine Begriffe haben, wissen wir nicht, wovon wir reden. Wenn man Begriffe beliebig nutzt, erlischt jede taugliche Kommunikation. Daher muß ich es für den „Archipel“ und den „Raum der Poesie“ etwas genauer nehmen.

Ich hab an anderer Stelle schon erwähnt, daß Monika Lafer das Werden des „Archipels“ als Kunsthistorikerin auf der Meta-Ebene begleiten wird. Ich werfe derweil einen Blick zurück und werde mich mit Selman Trtovac über einiges verständigen, was in den letzten eineinhalb Jahrzehnten zur Debatte stand, wo es um solche Fragen ging.

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+) Kulturpolitische Beiträge

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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