Sobald ich das Genre Text verlasse, erlebe ich, daß mir so manche Objekte, auch Fotografien, ganz gut gelingen, wenn ich sie klein halte.
Aber ein Kategoriensprung in der Dimension nach oben offenbart, wie sehr und ob überhaupt man eine Arbeit im Griff hat. Da liegen einige meiner Grenzen. Wenn Künstler Marcus Kaiser in unserer aktuellen Verständigung eine seiner Arbeiten erwähnt, weiß ich freilich, daß er solche Ausmaße beherrscht; etwa „das gerade fertigwerdende Grüne Bild ‚who’s afraid of green II‘, 5 Meter x 2 Meter“.
Arbeitszeit, Verläufe, auf daß in einem komplexen Prozeß etwas sichtbar werden kann. Ich bin da ein wenig dünkelhaft. Meine Ansicht: „das obsessive als eine kraftquelle, um werke zu schaffen, die nicht heruntergehudelt werden können, weil sie keine abkürzungen erlauben und lebenszeit fordern, das halte ich für ein gewichtiges thema in einer zeit, da mir so viel an flott hingeschnöselter bonmot-kunst aufgedrängt wird.
ist ja ganz nett, wenn jemand einen einzelnen witzigen gedanken schon für ein werk hält, aber mich interessiert so eine künstlerische small talk-kategorie nicht. und ich denke, die steirische kulturpolitik schafft viel raum für das dahingeschnöselte. einwände sind nicht möglich. aber man kann selbst anders handeln.“
Dazu meinte Architekt Winfried Lechner: „Ich stimme dir 100% zu. Es gibt keine zeitlichen Abkürzungen in der menschlichen Entwicklung, egal ob auf der individuellen oder persönlichen Ebene. Dazu fällt mir gerade das Begriffspaar Effizienz und Effektivität ein. Ein echtes Dilemma, dass unser schludriger Alltagssprachgebrauch den gravierenden Unterschied der beiden Bedeutungen selten trifft. Am Ende, so hoffe ich doch, wird sich das wirksam Andauernde durchsetzen.“
Zu diesen Aspekten hat Kunsthistorikerin Monika Lafer kürzlich einen kleinen Essay verfaßt: „Rhythmus und Obsession“ (Ein Erklärungsmodell zur künstlerische Grundlagenarbeit). Aktuell denkt sie über Site Specific Art nach, also über künstlerische Werke, die speziell auf einen konkreten Ort bezogen sind.
Ich mag solche Zugänge sehr, weil uns etwa die Netzkultur, wie sie aus der Verbreitung der Neuen Medien entstanden ist, in einer Art Omnipräsenz-Phantasie bestärkt hat. Dazu paßt das Bonmot: „Wo bin ich denn, wenn ich überall bin?“ Wir bleiben auf konkrete Orte angewiesen.
Falls man davon ausgeht, daß Marcus Kaiser im speziellen Dialog mit Joachim Eckl etwas entwickelt, womit er in der Oststeiermark gastieren wird, legt das für mich nahe, am Umfeld dieses Gastspiels zu arbeiten, also an der konkreten topographischen Umgebung. Das meint im Projekt gleichermaßen den „Raum der Poesie“ und das Feld „Diskrete Zeichen“.
Da verzahnt sich das Virtuelle mit dem Aktuellen. Ein Prozeß, zu dem ich grade mit Fotograf Richard Mayr weiter Schritte in Arbeit hab. So bewegen wir uns alle langsam aufeinander zu. Kaiser hat das eben wieder in einen Glissant-Kontext gestellt.
Genauer, er zitierte Édouard Glissant („Philosophie der Weltbeziehung – Poesie der Weite“): „Das Imaginäre meines Ortes steht in Verbindung zu der vorstellbaren Realität aller Orte auf der Welt und genauso umgekehrt. Das Archipel ist die Realität an der Quelle, aber nicht die einzige, aus der diese Imaginären entspringen: ein Grundmuster der Zugehörigkeit und der Beziehung zu den anderen. Das Archipel ist fragmentiert, wir gehen sogar so weit wie die Chaosforscher und behaupten, es sei fraktal (wir geben dem Wort zusätzliche, nicht zulässige Bedeutungen), es sei notwendig in seiner Totalität, empfindlich oder eventuell in seiner Einzigartigkeit, zugleich flüchtig und bleibend, ein Weltzustand.“
Solche Sätze mag ich dann auch sehr: „P.S. Von den zu transportierenden Dingen wären es nach jetziger Schätzung ca. 4 Ladungen für einen 7,5 Tonner.“ (Kaiser)
+) Archipel (Ein Logbuch)