Ich mag speziell dieses Einstiegsfoto zu meinem Rückblick auf das Totengedenken vom 29. Oktober 2023 wegen seines symbolischen Gehalts.
Es läßt verschiedene Erzählungen zu. Eine davon ginge so: Oberst Karl Bauer im Gespräch mit Theologin Adelheid Berger, während die zwei einer Abordnung des Kameradschaftsbundes auf dem Weg zu Friedhof folgen. Dieser Formation schreitet ein Teil der Stadtkapelle Gleisdorf voran. An der Spitze des Zuges Pfarrer Giovanni Prietl und Diakon Franz Brottrager mit ihrer Crew. Ich im Anschluß an dieses Gefüge als ein Repräsentant der Zivilgesellschaft, während Berger und Bauer beide dem Gleisdorfer Gemeinderat angehören.
Das ergibt eine soziokulturelle Gemengelage (Klerus, Politik, Kultur), an der sich die besondere Eigenheit vieler Gemeinwesen darstellen ließe. Wir finden stets unterschiedliche Wir-Konstruktionen vor, die ihre eigenen Codes haben, ihre Kriterien, wer bei diesen Gruppierungen drinnen und wer draußen ist. Wer gehört dazu und wer nicht? (Allenfalls auch: warum?)
Das legt mehrere Optionen nahe. Eine davon wäre die bequeme Version: Wir bleiben unter uns, legen uns bezüglich der anderen Milieus ein Konvolut von Klischees zurecht und bemühen uns darum, daß unsere bewährten Ressentiments den sozialen Frieden nicht zu sehr belasten.
Sie kennen das Problem? Wir haben uns freilich eine andere Option vorgenommen. Es hatte vor diesem gemeinsamen Gang zum Gleisdorfer Soldatenfriedhof einige Treffen und Korrespondenzen gegeben. Dann also jener Sonntag.
Meine diesbezügliche Instagram-Notiz lautete: „Es ist recht billig, einander mit Ressentiments zu begegnen. Wir beginnen gerade, einander zuzuhören.“ Dazu folgende Hashtags: #mygleisdorf #totengedenken #kriegerdenkmal.
Dem folgten zwei Kommentare. Comic-Zeichner Jörg Vogeltanz meinte: „Zuhören ist immer besser als zuzuschlagen oder zuzumachen.“ Architektin Petra K. betonte: „Würg… die falschen Helden und ewig gestrigen alten grauen Männer in ihren Lodenjoppen“.
Das Urteilen über Menschen, deren Intentionen und Verhalten man nicht kennt, ohne auch zu wissen, was vor Ort gesagt und was nicht gesagt wurde, hat mich überrascht, wo es aus den Kreisen des Kulturvölkchens kam. (Solche Momente häufen sich langsam in meinem Milieu.) Das zieht sich offenbar durch alle weltanschaulichen Lager.
Ich hakte das für eine postwendende Illustration, wie relevant die aktuelle Frage nach unseren Begriffen und deren Bedeutungen ist. Das Wort (Bezeichnendes) steht für etwas, weist auf etwas hin, nämlich auf das Bezeichnete. Man darf aber nicht übersehen: Bezeichnendes und Bezeichnetes sind zwei verschiedene Kategorien.
Die Lehre vom Zusammenhang zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem wird Semantik genannt. Auch für Laien ist – so hoffe ich – völlig klar, daß Bedeutungszusammenhänge sich stets ändern. Was gesagt und was damit gemeint wird, hat heute meist eine andere Bedeutung als vor drei Generationen.
Die angeblich „falschen Helden“ waren übrigens kein Thema bei diesem Totengedenken. Das Wort Helden kam in den Reden überhaupt nicht vor. Aber davon erzähle ich noch.