Episode XXXII: Helden (Eine Überprüfung)

Ich hatte im Frühjahr 1970 meinen 14. Geburtstag. Im Herbst jenes Jahres kam Rennfahrer Jochen Rindt beim Training in Monza ums Leben.

(Quelle: Austria Motor Journal, September 1970)

Seine Leistungen und seine Art, sich in der Öffentlichkeit zu geben, legten es damals nahe, ihn als einen Helden zu betrachten und zu bewirtschaften.

+) Das Fenster (Held oder Legende?)
+) Einige Details (In Progress)
+) Triptychon (Und Zugabe)
+) Macht (Einige Details)
+) Ainerdinger, Zeitgenosse (Die Judenburg-Session)
+) Totengedenken (Gleisdorf)
+) Überleitung zu: Helden (Zu einer laufenden Debatte)

Ganz Österreich war damals noch von heroischen Posen geprägt, mit denen unsere Leute die Teilhabe an einem unfaßbaren Verbrechen bemäntelten. Unter den Groschenromanen blieben die „Landser-Hefte“ (Pabel-Moewig Verlag) lange sehr populär. Eine Bemühung, die Nazi-Ära als heroische Zeit zu stilisieren. Das entfaltete sich im Kielwasser einer Popularkultur, in der Flieger und Rennfahrer spätestens ab dem Jahr 1909 als publikumswirksame Heldenfiguren reüssiert hatten.

Dazwischen waren zwei Weltkriege kontrastreiche Anlässe, um aus all dem drastische Vexierbilder zu schaffen. Das einstige Ideal „Der soldatische Mann“, der Aviator, der Motorsportler, der Weltreisende, der Abenteurer etc., ein ganzes Ensemble von kühlen bis pittoresken „Kerl-Posen“ erwiesen sich als gut verwertbar.

Protagonist eines wuchtigen Narrativs.

Ich habe dagegen Erinnerungen, die von einer ganz anderen Stimmung geprägt waren. Ich bin als Kind eines körperlich und seelisch verwüsteten Mannes aufgewachsen. Eisernes Kreuz, Nahkampfspange, Goldenes Verwundetenabzeichen. Dieser Mann, mein Vater, ließ emotional keinen Raum für Helden-Posen und verklärtes Gehampel.

Der Motorsport bot da Auswege. Jochen Rindt erschien mir in solchen Zusammenhängen nicht als „Held“, sondern als ein unaufgeregter und uneitler Mensch, der auf etliche Arten Furore machte und mir in gewissem Sinn unaufhaltsam erschien. Das hat mich beeindruckt.

Er war eher eine Art der coolen Identifikationsfigur, überdies und angenehmer weise nicht grade das, was man sich damals unter „ein schöner Mann“ vorstellte. Dazu wurden Referenzgrößen wie ein Alain Delon gefeiert, in dessen Armen man Frauen wie Romy Schneider oder Mireille Darc wußte. Rindt bot mir in seiner Erscheinung und seinem Verhalten weit eher Anknüpfungspunkte.

Für einen Teenie wie mich ist Jochen Rindt also sehr viel greifbarer gewesen, zumal seine Großmutter die Nachbarin meiner Großmutter Marianne gewesen ist. Das gab allerhand „Gschichterln“. Überdies mit einer speziellen Hintergrundfolie, da meine Oma eine Renner war, Tocher des Fleischhauers Matthias Renner. Daher sind Alexander und Anatol, die „Rennerbuben“, ihre Cousins gewesen. Luftschiffer, deren „Estaric I“ von einem Puch-Motor angetrieben wurde.

Anatol Renner, den ich (damals ein Volksschulkind) noch persönlich kennengelernt hatte, war nicht nur Flieger gewesen, sondern fuhr in den USA seinerzeit auch Motorradrennen, wovon er mir natürlich erzählte.

Die Renner-Buben Alexander und Anatol mit ihrem Vater Franz Renner.

Eine andere Querverbindung handelte von Alfons Hochhauser, einem Verwandten meiner Mutter, Bruder meiner Tante Grete. Er ist als „Xenophon“ in die Literatur eingegangen. (Werner Helwigs „Raubfischer in Hellas“, übrigens mit Maria Schell auch verfilmt.)

Sie sehen also, ich habe einige biografische Verstrickungen, in denen sich die Rollenkonzepte des „Kriegshelden“, des Fliegers, des Rennfahrers und des Abenteurers zu einer merkwüdigen Gemengelage verbanden; zumal der Bruder meiner Mutter Pilot, der Schwager meines Vater Techniker in den Focke-Wulf Werken gewesen war.

Überdies hab ich inzwischen selber den Großteil meines Lebens hinter mir. Eine Zeitspanne, die einer Ära gleichkommt: der Kalte Krieg, der Mauerfall, der Untergang Jugoslawiens, die Corona-Pandemie, der Überfall Rußlands auf die Ukraine. Markante Kräftespiele, die es mehr als Notwendig machen, unsere populären Narrative zu untersuchen und das Konzept „Held“ zu überprüfen. (Ab 11.10.23 auch als Episode im Zeit.Raum in der Gleisdorferr Bürgergasse.)

Zeit.Raum Gleisdorf
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