Ich bleibe noch kurz beim Begriffs-Trio Aufsteigen, Drübersteigen und Durchsteigen, um meine Erzählung ein wenig zu ordnen. Für die Bauarten finden sich – naheliegend! – Beispiele in der Zweiradwelt mit und ohne Motor.
Handlichkeit und Agilität eines Fahrzeuges müssen sich mit dem Gewicht und der Belastbarkeit der Werkstoffe abstimmen lassen. Es begann mit einem Brocken. Der Reitwagen von 1885 gilt als erstes Motorrad unserer Geschichte und ist doch eigentlich ein Wagen.
Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach schufen diesen Technologieträger, um Motoren zu testen. Draufzusitzen war quasi ein Nebeneffekt bei dieser Art von „Sparautromobil“, weil zum Drinsitzen kein Platz verfügbar blieb.
Das Vehikel stand dreispurig da. Oder einspurig mit Stützrädern. Wie man es eben deuten möchte. Am Beginn der Story steht demnach das Aufsteigen. Doch nicht lange. Im Jahr 1894 brachten Hildebrand & Wolfmüller ein Fahrzeug auf den Markt, das heute als erstes Motorrad in Serienproduktion gedeutet wird.
Nach praktischen Erfahrungen mit Prototypen entstand ein Motorrad mit Rohrrahmen, das gemäß seiner Bauweise eigentlich auch gleich der erste Scooter der Mobilitätsgeschichte ist. Dieser Rohrrahmen ermöglicht eigentlich einen freien Durchstieg, wenigstens ein Drübersteigen statt dem Aufsteigen.
Das Motorrad wird ohne Knieschluß gefahren. Der wassergekühlter Zweizylinder- Viertaktmotor (Tandem) liegt tief. Wollte man eventuell noch Trittbretter und eine Schürze dranschrauben, den Motor verkleiden, dieses Motorrad wäre leicht als Scooter zu klassifizieren.
Rauf, rüber, runter, raus…
Der Reitwagen wurde um einen Motor herum gebaut. Das ist an der Patentschrift gut erkennbar. Da bliebt nur das Raufsteigen möglich. Das erste nennenswerte Motorrad, jene Konstruktion von Hildebrand & Wolfmüller, ist dann ein ansehnlicher Ausgangspunkt, von dem schon ganz früh zwei verschiedene Wege der Fahrzeugentwicklung gleichermaßen ableitbar waren. Das drückt sich in dieser Bauart dieses Vorläufers aus. Wir sehen sozusagen den gemeinsamen Vorfahren von Scooter und Motorrad.
Es gibt allerdings auch diese dritte Linie: motorisierte Rollbretter. Darauf gehe ich im Moment nicht näher ein, obwohl dieses Genre heute grade im Stadtverkehr ein Revival erlebt, das für allerhand Kontroversen sorgt. Das bekannteste Beispiel aus den frühen Tagen ist vermutlich der Autoped-Scooter von 1919, den dann Krupp in Lizenz baute; oder die Austro Motorette von 1921. Aber das ist eine andere Geschichte.
— [Scooter: Piaggio, Puch und Popkultur, ein Rückblick] —
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