Geht es um „Die Bewältigung der Wildnis“, denke ich natürlich über innere und äußere Zustände nach. Dabei kann das Thema schnell diffus werden.
Also muß das präzisiert werden. Der Bereich von Naturerfahrungen drängt sich auf jeden Fall auf. Das ist in der Intrada schon angeklungen. Meine Gegenüberstellung zweier Erfahrungswelten. Ich also, wie ich derzeit im Gestrüpp herumsteige, ein Flaneur, manchmal in Begleitung von Fotograf Richard Mayr, für den Gestrüpp ganz andere Dimensionen hat.
Oben, das Foto mit den nackten Füßen, den Pfeilen und den Bogen im Kanu, korrespondiert mit dem Cover des Booklets „Interferenzen 2019“. Jenen Bären hat Mayr nicht im Zoo fotografiert. Das war in freier Wildbahn.
Lesestoff
Wir sind Teil einer Generation, die als Kinder manchmal mit Reiseberichten und Abenteuerromanen beschenkt wurden. Reisende wie Sven Hedin oder Heinrich Harrer, Abenteurer wie Hans Hass oder Jacques Custeau, Jacques Piccard nicht zu vergessen… Für Richard Mayr wurde seinerzeit ein Roman prägend, in dem der Alatna River (Alaska) eine zentrale Rolle spielt; verfaßt von Hans-Otto Meissner.
Mayr ging etliche Male in die Wildnis. Meine Abenteuerlust hatte eine trivialere Grundlage: Motorräder. Da wie dort setzt man seine Gesundheit ein, mitunter sein Leben, um sich die Kicks zu holen, nach denen man sich verzehrt. Da wie dort reicht ein unachtsamer Augenblick, um einen in andere Zustände zu schmeißen.
Ich hab die Motorräder nach zwei sehr schweren Unfällen aufgegeben, hab regelrecht abgeschworen. Naja, nicht gleich, aber nach eine Weile. Nun treibe ich mich im Gestrüpp herum, entlang von Gewässern, von Eisenbahn-Strecken, wohin auch immer meine Füße mich tragen. Mayr erkundet laufend einen weit größeren Radius. Dazu braucht es manchmal ein Flugzeug, manchmal ein Schiff. Aber zwischendurch treffen wir uns zu gemeinsamen Wegen.
Rückblickend
Es ist etliche Jahre her, da hat mich eine Ausgabe von National Geographics gefesselt. John Krakauer berichtete vom katastrophalen Verlauf einer kommerziellen Mount Everest-Tourismus-Tour, als dort in einem Blizzard 1996 eine ganze Serie von Leuten ums Leben kam. Ich hab ein Faible für diese Szenarien und Berichte, weil mich schon ewig beschäftigt, was zu den Limits führt und was an den Limits vorgeht.
Dazu gehören Schnee und Frost, die ich furchterregend finde, wenn sie ganze Länder bedecken. Während Mayr unwirtliche Landschaften aufsucht, sehe ich mir leidenschaftlich Filme an, in denen die Kälte regiert, möglichst auch endloses Weiß.
Spielfilme eingeschlossen, zum Beispiel Al Pacino, Hillary Swank und Robin Williams als Gegenspieler in „Insomnia“ (2002). Oder Stellan Skarsgård als Schneepflugfahrer in „Einer nach dem anderen“ (2014) als Gegenspieler von Bruno Ganz. Auf jeden fall Jeremy Renner als Wildhüter in „Wind River“ (2017)
Prinzipiell macht es natürlich einen Unterschied, ob man Romane liest, Filme sieht oder tatsächlich dort ist. Ob es kognitiv auch einen Unterschied macht? Da bin ich nicht sicher.
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