Aus einem Arbeitsgespräch mit Fotograf Richard Mayr, das den Beginn des September 2023 markiert, kommt die Übereinkunft, eine Themenlinie herauszuarbeiten, die aus unserer bisherigen Kooperation resultiert.
Ich denke, der passende Arbeitstitel ist im Moment: „Die Bewältigung der Wildnis“. Das ist bewußt mehrdeutig gehalten. Im Zentrum meiner Annahmen sehe ich das Thema Raumüberwindung. Wir haben derzeit eine poetischer Vorstellung, dieses Thema umzusetzen, die sich aus unseren laufenden Umtrieben ergeben.
Dazu paßt sehr gut, daß ich zwar – die Wildnis betreffend – ein Flaneur bin, aber Mayr etliche Fahrten hinter sich hat, bei denen in manchen Abschnitten die Rückkehr nicht gesichert war. Zur Raumüberwindung kommt dabei ein radikalerer Aspekt; daß man in manchen Momenten seine Angst überwinden muß, um einer Bedrohung zu entgehen. Ein radikalerer Kurs.
Wenn wir heute etwa die „Matrix der Gewässer“ erkunden, wie wir sie in der Oststeiermark vorfinden, zeigen sich Gefahrenmomente nur mehr prinzipieller Natur. Wir sind beispielsweise durch Passagen gegangen, wo man hätte abstürzen können, falls man sich wie ein Tölpel benimmt.
Oder denken Sie an diese Dichotomie von realem (analogem) Raum und digitalem Raum, der allgemein „virtueller Raum“ genannt wird. Eigentlich ist diese Wechselbeziehung der Raumkonzepte, die uns Telekommunikation, Telepräsenz und Teleworking ermöglicht, eine staunenswerte Annäherung an Bereiche der Quantenphysik.
Das bedeutet, ich kann diesen „Cyberspace“ als eine Übergangszone deuten, die zwischen den Räumen der Newton’schen Physik und jenen der Quantenphysik liegt. Den Begriff Cyberspace haben wir übrigens aus der Literatur bezogen. Kleiner Einschub:
„Der ‚Cyberspace‘, in dem sich heute schon Schulkinder zuhause fühlen, war zunächst eine Erfindung der Science-Fiction. Der Begriff findet sich erstmals in William Gibson Roman ‚Neuromancer‘. Vieles von dem, was William Gibson in seinem Roman beschreibt, ist mittlerweile Realität geworden.“ Elisabeth List (†) in „Leiblichkeit, Realität und Virtualität in semiotischer Perspektive“ [Quelle]
In eben diesem Zusammenhang ist mein Projekttitel „Tesserakt“ angelegt. Als eine Metapher für eine kollektive Praxis der Wissens- und Kulturarbeit, zugleich auf ein Schema bezogen, mit dem sich Phänomene, deren sprachliche Ausdeutung etwas umständlich gerät, visuell ganz gut darstellen lassen.
Unmittelbar vor diesem Arbeitsgespräch mit Mayr hab ich die Künstler Niki Passath und Jani Schwob besucht, was in unseren Erörterungen auch eine Betonung des Umstandes ergab, daß kollektive Verfahrensweisen in unserem derzeitigen Kunstgeschehen eher unpopulär seien. Nicht so bei Passath und Schwob. [Link] Und das meint Interaktion.
Raum, Raumkonzepte, Raumüberwindung, Raummetaphern. Es läßt sich natürlich auf sehr konkrete Lebensverhältnisse umlegen, wie ich es kürzlich mit dem „Gleisdorfer Viereck“ gemacht habe; siehe: „Transitionen, Gleisdorf West”!
Das sind nun bloß einige Beispiele für menschliche Bemühungen, um „Die Bewältigung der Wildnis“ voranzubringen, wobei uns jenes weit größere Kräftespiel einer wechselwirksamen Natur immer wieder in unsere Konzepte und Räume hereinbricht.
Die Kunst ist dem allemal gewidmet. Als eine Verfahrensweise der Erkundung, des Erforschens, denn auch unsere Inneres ist erst einmal eine Wildnis, die bewältigt werden mag. Gut, da muß nun allerhand angeordnet werden…
+) Matrix der Gewässer (Überblick)
+) Tesserakt (Überblick)
+) Raum (Projekübersicht)