In der Kunst zu leben handelt von selbstgewählten Aufgabenstellungen, denen man sich wie einem Forschungsprojekt widmet.
Ich denke, das kann dem Publikum weitgehend egal sein, denn da zählen die Ergebnisse solcher Arbeit. Wie man zu diesen Ergebnissen kam, ist nach außen hin nicht vorrangig. Aber es steht jedem Menschen frei, sich in diese Prozesse einzubringen, den gleichen Fragen nachzugehen.
Worum es geht? Um etwas, das alle Menschen betrifft: Wissenserwerb und Erkenntnis.
Sie entscheiden jeweils selbst, wie weit der Bogen Ihres Suchens gesteckt sein mag. In der Kunst zu leben handelt naturgemäß von einem sehr weit ausladenden Bogen. Aber wie erwähnt, unterm Strich zählen die Ergebnisse in Form von Werken.
Gut, das stimmt nicht ganz. Es zählt auch das geistige Leben eines Gemeinwesens, wie es sich teilweise aus den Prozessen ergibt, die zu zeigbaren Werken führen. Ich hab im vorigen Text notiert: „Dieses subatomare Reich der Quanten ist für mich ein Feld der Transzendenz, was auch bei Fragen zur Kunst große Bedeutung hat.“ Ich werd das wohl etwas erläutern müssen.
Will man das 20. Jahrhundert begreifen, führt an Niels Bohr und den Folgen seiner Arbeit kein Weg vorbei. Was bis heute mit den Mitteln der theoretischen Physik vermutet werden darf, aber vorerst nur zum geringsten Teil in Versuchsanordnungen geklärt werden konnte, macht etwas deutlich, was wir auch aus der Kunstpraxis kennen.
Wir sind gelegentlich mit Phänomenen beschäftigt, oder wenigstens in Berührung, die können wir nicht benennen. Selbst Metaphern und unausgesprochener Subtext ermöglichen bestenfalls eine Annäherung an das Reich dieser Phänomene.
Während uns zum Beispiel die Esoterik vorgaukelt, es ließe sich damit ganz konkret und gezielt arbeiten, haben wir in der Kunst kein Problem mit dem, was der Wissenschaft eine Bürde bleibt:
– Wir können es nicht wissen.
– Wir können es nicht sehen.
– Wir können nicht darauf zugreifen.
Und dennoch ist daran etwas Erfahrbares, unbedingt aber Erahnbares. Wir können damit einen Umgang haben.
Das meine ich in diesem Fall mit Transzendenz. Ich habe es am Beispiel meines eigenen Metiers schon einmal deutlich zu machen versucht. Ich muß sehr viel über die Welt wissen, um ein einziges gutes Gedicht schreiben zu können. Aber eben nicht bloß das, was gewußt werden kann. Ein Gedicht ist zugleich wie ein Akkumulator von weit mehr, mit dem auch jene in Berührung kommen, die Gedichte schätzen. Da gibt es nichts zu erklären. Es erweist sich.
Sie können das auf andere Formen und Formate umlegen. In der Kunstpraxis arbeiten wir intensiv mit der Transzendenz, ohne dabei – wie Esoteriker – zu behaupten, wir würden damit (quasi wie Maschinisten des Ungreifbaren) Wirkungen herstellen. Nein, wir bringen bloß uns und andere damit in Berührung.
So war auch dieser Satz gemeint: „Es mag einem nicht sofort auffallen, aber Elektrizität ist eine Art Zwischenreich, das sich dort ereignet, wo sich diese Welten berühren: unsere greifbare Realität und die Transzendenz.“
Denn die Elektrizität handelt von subatomaren Teilchen, die entweder eine Ladung haben oder keine Ladung haben, um sich in Feldern zu ereignen. Das können wir gerade noch verwalten, technisch handhaben. Aber es ist zugleich auch ein Bereich der Quantenphysik, also eines Reiches, dessen Teil wir zwar sind, das uns aber letztlich nicht zugänglich ist.
Um es mit Quantenphysiker Valerio Scarani zu sagen: „Es bleibt ungeklärt, ob es einen qualitativen Übergang zwischen dr Quanten- und der klassischen Welt gibt.“
+) Vorlauf: Elektrizität und Transzendenz
+) Tesserakt (Übersicht)