WWW: Wie was wurde

Nein, nicht gleich wie die Welt wurde. Keine Genesis, aber das Web via TCP/IP, allerhand zwischendurch, schließlich die Social Media…

Rechts: Wissenschafter Hermann Maurer.

Als ich im Oktober 1985 zum ersten Mal kurz in einem Netzwerk online ging, hatte ich keinerlei Vorstellung, wo diese Technologie hinweist und wie wir damit eine Weile später umgehen würden.

Aber das Thema ließ mich nie mehr los, denn ich war damals Teil eines Milieus, das sich selbst mit dem Begriff Subkultur assoziierte. In diesem Milieu war Selbstbestimmung ein hohes Gut, was auch bedeutete, daß Medienkompetenz und adäquate Techniknutzung einem half, schwache Budgets zu kompensieren. So gewann man an Handlungsfähigkeit.

Interlude
Eines meiner regelmäßigen Arbeitsessen mit Wissenschafter Hermann Maurer verdichtete sich im August 2023 zu einer kleinen Rückschau. Erstens kennt er das Internet seit dessen Entstehen, hat Teile davon mitgestaltet. Zweitens bin ich einer der ersten exponierten Akteure jener österreichischen Netzkulturszene, die eben noch Avantgarde war, nun Regelbetrieb ist.

Mich bewegt das Thema daher seit mindestens 1980, Maurer naturgemäß schon etwas länger. Also haben wir ein Vorhaben skizziert. Tags darauf schrieb mir Maurer: „…hat mir wie immer gut gefallen. Die Idee, dass wir zusammen über die IT der 50 Jahre – von 1974 bis 2024 – aus unserer Sicht berichten, ist spannend…“

Rückblickend
Durch meine Zeit in Hamburg war mir der „Chaos Computer Club“ ebenso ein Begriff wie das „Ulcus Molle-Info“ von Josef Wintjes in Bottrop; für mich eine vorrangige Informationsdrehscheibe, auf der Deutschlands literarischer Underground mit allerhand Querverbindungen präsent war.

„Ulcus Molle Info“ Ausgabe Nummer 100.

Am 27. August 1981 gastierte die AMOK KOMA City Tour in der Hamburger Fabrik, was ich mir nicht entgehen ließ. (Ich war überrascht, den österreichischen Autor Gert Jonke dort zu treffen.) Wenige Jahre darauf kreuzten sich Maurers und meine Wege.

Das Aviso im vormaligen Grazer Augartenkino lautete: „Samstag, 5. Oktober, 16.30 Uhr:
Vernissage. A. Hergouth beginnt das literarische Computertagebuch. Jeder Teilnehmer am Symposion wird eingeladen, das von Hergouth begonnene Tagebuch durch eigene Lyrik und Prosatexte fortzuführen.“

Das meinte Alois Hergouth, einen der Gründer des „Forum Stadtpark“. Wir stiegen zu dritt ein: Peter Köck, Wolfgamg Siegmund und ich. Auf welchem System? Es war das von Hermann Maurer und seinem Team entwickelte „MUPID“.

1981: Subkultur kommt in die Gänge.

Wie passend, daß ich mich aktuell gerade in ein neues Bibliotheks- und Verlagssystem eingearbeitet hab, welches Hermann Maurer und Bilal Zaka entwickelt haben: NID – NetInteractive Documents“.

Maurer special
Der Mann hat freilich eine besondere Vorgeschichte. Als junger Informatiker gehörte er zum Team von Heinz Zemanek und schrieb Software für das „Mailüfterl“, den ersten „Binär dezimalen Volltransistor-Rechenautomat“ in Europa.

Später saß Maurer auch am Tisch, als Robert T. Cailliau (CERN) mit Tim Berners-Lee und anderen jene Verhandlungen führte, durch welche die Rechte am WWW in die USA verkauft wurden, was ihm sehr mißfiel. (Maurer sagt unmißverständlich, Cailiau sei ihr Mastermind gewesen, der damals mäßig kompetente Berners-Lee habe sich recht schamlos vorgedrängt.)

Gehen Sie also davon aus, daß die Sache Hand und Fuß hat, wenn wir unsere Kenntnisse aus Informatik und Netzkultur bündeln, um jenes Terrain transparenter zu machen, auf dem heute viel an Wissens- und Kulturarbeit realisiert wird.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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