Ich bin jedes mal neu überrascht, wenn ich die Kälte des Inneren eines Berges spüre. Das erinnert mich an meine Kindertage.
Da hatten wir in den Bergen gewetteifert, wer die Hand länger im Trog voller Quellwasser halten konnte, weil es so kalt daherkam. Die Quelle der Raab ist ein Schlund über einer Stufe mitten im Wald, von Stille umgeben.
Man findet dort eine komfortable Abkühlung, denn der Ausstieg bietet im Sommer zwar etliche Schattenpassagen, aber wo das Blätterdach Lücken hat, haut die Sonne mächtig herein. In diesem Gebiet beginnt diese wechselhafte Geschichte, deren Ende wir auch schon kennen.
Fotograf Richard Mayr und ich hatten uns vorgenommen, die gesamte Raab zu erkunden, um exemplarisch einen sinnlichen Eindruck zu erlangen, was einen Fluß ausmacht. Kein Bilderbogen kommt naturgemäß an die Stimmungen heran, die man in der realen Anschauung vor Ort erlebt.
Es ist eine recht überschaubare Passage, bis die Raab bergab die ersten zwei Brücken erreicht; eine davon altes Holz, so morsch, daß es keinesfalls mehr befahren werden kann. Unmittelbar danach eine nüchterne, tragfähige Version aus der jüngeren Vergangenheit.
Die Ruine bei der Holzbrücke sei ein Wohnhaus gewesen, sagte die Wirtin der nahen Jausenstation, es habe hier auch eine Mühle gegeben, die aber weg sei. Und ein ehemaliger Holzknecht von stattlichen 91 Jahren betonte, da käme momentan „eh viel Wasser vom Berg herunter“, es habe ja öfter geregnet. Was wir also im Juli 2023 gesehen haben, gilt als guter Wasserstand.
Dennoch ist es erkennbar ein Bach, der sich da über eine Ewigkeit hinweg ein Tal in den Waldboden geschnitten hat. Von da geht es mit allerhand Zuflüssen in das Passailer Becken hinunter, um schließlich die größte Klamm Österreichs zu durchfließen. (Logisch! Die Raabklamm.)
Wo die Raab dann in Györ zu ihrem Ende kommt, besteht eine radikal andere Situation. Komfortable Wege in einer urbanen Umgebung, Promenaden, Anlegestellen, solide Brücken, alles einem größeren Verkehrsaufkommen zu Wasser und zu Lande gewachsen.
In Ungarn haben wir aber auch noch sehr naturbelassene Passagen gesehen. So bietet dieser Fluß über seine volle Länge markante Eindrücke, wie sich das Siedlungswesen entwickelt hat, wie sich soziale und technische Modernisierungssprünge in die Landschaft eingeschrieben haben, was sich an Kräftespielen entfalten konnte, wo sich Herrschaft und Alltagsbewältigung aneinander reiben mußten.
So eine Reise läßt sich auch als Lehrstück begreifen, daß wir mit der Natur nicht verhandeln können, sondern mit jedem Eingriff Konsequenzen auslösen, von denen selbstverständlich viele nicht zum Vorteil der Menschen sind, nachdem sie sich schon zum Nachteil anderer Lebewesen ereignet haben. (Siehe dazu auch: „Die Raab, kurz gefaßt“ so wie „Quelle und Tafel„!)
+) Die Raab (Übersicht)