Es muß jeder Mensch die Freiheit haben, seine intellektuellen Fähigkeiten ruhend zu stellen. Wie erholsam, ab und zu in geistig flachen Gewässern zu dümpeln!
Ich bin mit dieser Erfahrung keine Ausnahme und würde jederzeit für ein Recht auf billige Unterhaltung streiten. Es vergeht keine Woche, manchmal kein Tag, ohne daß ich mich in solche Nischen zurückziehe und bloß noch genieße, was die Unterhaltungsindustrie bietet.
Sie werden solche Ermüdungen von Geist und Emotionalität sicher auch kennen. Dann ist einem jegliche innere Anstrengung zuwider. Es gibt – im Kontrast dazu – Menschen, die machen geltend, daß solche Nachlässigkeit für sie nicht in Frage käme, daß sie ihre Zeit keinesfalls an die billigen Stoffe vergeuden würden. Denen kommt, so höre ich, nichts Seichtes vor die Augen.
Ich gratuliere! Solche Stringenz kenne ich in meinem Leben nicht. Mehr noch, ich hab ein Faible für triviale Stoffe, für so manchen Tand der Popularkultur. Ich bin mit solchem Zeug aufgewachsen. Es hat für mich seinen Reiz nie verloren. Das betone ich, um die Position offenzulegen, von der aus ich einen speziellen Ramsch zurückweise, der Social Media längst überflutet hat.
Weisheitssimulation als Mittel, um sich bemerkbar zu machen, wo man via Social Media in Sachen Aufmerksamkeitsökonomie kurbelt. Phrasendrescherei der Qualitätsstufe „Das Wasser ist naß. Der Papst ist katholisch.“ Das könnte unerwähnt bleiben, weil ich eben allen Menschen das Recht auf billige Unterhaltung zugestehe.
Doch spätestens seit dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 boomen heilsverkündende Kräfte mit solchem Geistesschrott und gedanklicher Windbäckerei, buhlen nicht bloß um Likes, sondern drängen damit auch in lokalpolitische Zusammenhänge.
Damit meine ich, daß Leute aus meiner direkten Umgebung, die ich zum Teil auch persönlich kenne, sich öffentlich in politische Diskurse einbringen und die geistige Legitimation dafür mit solchen Memes und Zitaten, mit diesen Nachfahren der Kalenderblätter, betreiben. (Quasi „Readers Digest“ auf elektronisch.)
Da reißen also Leute im Gemeinwesen die Klappe auf, obwohl sie nichts zu sagen haben, denn alles was sie liefern, sind Bildchen, Kolportage, Links zu den Mitteilungen anderer Leute. So sehen ihre Timelines aus, so sieht ihr politischer Diskurs aus.
„Laß dir sagen, daß dir was gesagt werden muß. Ich sag jetzt was!“
Ist es ein Zufall, daß ich zwischendurch sehen kann, wie da häufig für die FPÖ, für MfG und sogar für die AfD getrommelt wird? Wer aber dazu beiträgt, das Reflexionsniveau von Menschen runterzuzerren, ebnet dem Rechtsruck Wege.
So hören sich dann auch die Reden eines Großwesirs der kleinen Leute an, von dem ich weiß, daß er selbst intellektuell ein anderes Level fährt als jenes, auf dem seine Reden sich entfalten. Das bedeutet, jemand bemüht sich um Anhängerschaft, indem er seine Botschaften geistig so niedrig hängt, daß selbst der letzte Depp noch Anknüpfungspunkte findet.
Keine schlechte Idee, denn nun könnte man sich bemühen, Menschen zu ermutigen, daß sie ihr Reflexionsvermögen üben und ihren Wissensstand nach oben bringen.
Weisheits-Simulation als Weltbestseller: Paulo Coelho.
Das wäre ungefähr, was Immanuel Kant mit der Essenz von Aufklärung meinte. Man möge sich aus selbstverschuldeter Unmündigkeit befreien, indem man sich seines Verstandes ohne Anleitung durch andere bedient. Eine Entwicklung, zu der man Ermutigung und Übung braucht.
Wer nun aber Ramsch und geistiges Windgebäck ins Gemeinwesen drückt, wer nebenbei auch noch Themen forciert, die gesellschaftlich Wirkung zeigen, ohne den Fragen nach Menschenwürde verpflichtet zu sein, wer sich also mit derlei Mimikry in die öffentlichen politischen und kulturellen Debatten mischt, ist ein dubioser Charakter. Das verlangt nach öffentlichen Einwänden.
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