Die Erinnerungsmaschine von Facebook zieht mir ab und zu interessante Texte raus. Zum Beispiel einen zum Abklingen der Gleisdorfer Unruhe.
Ich hab ihn am 4. Juli 2022, also genau heute vor einem Jahr, auf dem Woche-Server veröffentlicht. Damals waren im Gespräch mit dem Pädagogen Franz Wolfmayr und mit Gleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer einige Überlegungen anzustellen, die mir heute nützlich erscheinen, um die jetzige Situation dran zu messen.
Die lärmenden Umzüge sind vorbei, der Staub hat sich gelegt, eine konsequente politische Arbeit der prägnanten Aktivistinnen und Aktivisten kann ich aktuell nicht feststellen, soweit es das Gemeinwesen angeht. Und zwar im Sinn von Formationen, die sich auch formell in das politische Leben der Stadt einbringen und dabei ihre Intentionen offenlegen; gemäß dem, was man sich unter einer Res publica vorstellen darf.
Statt dessen weiter viel Polemik via Social Media und allerhand Konspiration im Privaten. Okay. Auch gut. Damit sollte eine Demokratie zurechtkommen. Hier also der Text vom 4. Juli 2022:
Corona-Pandemie (Eine Identitätsfrage)
Das ändert sich nun seit Wochen nicht. Die große Sause ist in Gleisdorf offenbar vorbei. Ich nehme an, eine Reihe von Trittbrettfahrern und Goldgräberinnen haben sich geholt, was zu holen war, sind nun verduftet. Das macht womöglich den Blick frei, wer hier nun tatsächlich seine Sorgen und Wünsche auf die Straße trägt, weil sich dafür keine andere Bühne finden ließ.
Ich sehe, ein Teil der Community, die man bei den Gleisdorfer Protestmärschen sehen konnte, hat mittlerweile in einem Kulturverein zusammengefunden. Beachte ich deren Inhalte und Angebote, bin ich eigentlich beim Konzept eines sozialen Zentrums. Kein Gemeinwesen kann langfristig ohne solche Anlaufstellen auskommen. [Anmerkung: die „Trefferei„]
Wie solche Initiativen inhaltlich ausgerichtet sind, hängt von den Menschen ab, die sich dafür engagieren. Wer sich ehrenamtlich exponiert, wird sich meist nicht zurufen lassen, welche Pflichten dabei Vorrang haben. Das wählt und entscheidet man selbst.
Als ich letzten Sonntag wieder ein Plauderstündchen im Gastgarten hatte und dabei zur Protestversammlung hinübersah, schien es fast so, als könnte eine wechselseitige Verständigung beginnen, statt daß ein Grüppchen seine Mitmenschen anbrüllt. (Das ginge dann ja auch ohne teure Polizeieskorte.)
Gut, so weit sind wir offenbar noch nicht. Ich bin aber im Gespräch mit Kulturreferent Karl Bauer und Franz Wolfmayr, einem erfahrenen Pädagogen, auf einen sehr spannenden Punkt gekommen. Die Identitätsfrage. Wir schienen uns einig, diese zwei Wünsche als generelles Bedürfnis der Menschen zu verstehen: Erstens den Wunsch nach Autonomie (Selbstbestimmung) und zweitens den Wunsch nach Zugehörigkeit.
Wer das für sich in Balance bringen kann, wird eher nicht zu radikalen Positionen neigen. In Fragen der eigenen Identität stabil zu sein, das verlangt letztlich nach einem soliden Abstraktionsvermögen, denn diese Belange sind wenig greifbar. Wer das für sich auf abstrakter Ebene nicht ausreichend herstellen kann, muß sich aufs Tun verlegen, auf konkrete Handlungen.
Dabei fällt dann auf: genau davon reden die Leute ja auf ihren Protestmärschen. Zusammenhalten und die Ablehnung von Fremdbestimmung. Anders ausgedrückt: Zugehörigkeit und Autonomie.
+) Übersicht: Zur Pandemie-Debatte
Ende des Zitats
Die Ursprungsfassung finden Sie hier: „Corona-Pandemie“ (Eine Identitätsfrage).
Außerdem habe ich in meinem „Lockdown-Log“ die gesamte Krisenzeit laufend kommentiert. Damit will ich sagen, daß meine Ansichten sehr detailliert einsehbar sind, während andere in mitunter gegenteiligen Positionen oftmals zur „Geheimdiplomatie“ gegriffen haben.
Postskriptum Da ich immer wieder nach dem Warum gefragt werde, da also manchen Menschen überhaupt nicht klar ist, was die Profession und die Rolle eines Schriftstellers in einer Geselslchaft sein kann, hier meine Notiz „Was tut ein Schriftsteller?”
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