Ich kann an der stets notwendigen Debatte nicht im Lager jener teilnehmen, die völligen Gewaltverzicht fordern und Waffengebrauch ablehnen, denn ich bin kein Pazifist.
Das legt nahe, meine Ansichten zu präzisieren. Ich bin überzeugt, es gibt keinen „gerechten Krieg“, weil ja mindestens eine beteiligte Partei als Aggressor losgezogen ist. Aber es gibt legitime Kampfhandlungen. Dafür haben wir Kriterien. Es gibt im Kriegsfall keine „saubere Armee“, weil es – so weit wir heute wissen – im Zuge von Kampfhandlungen oder in ihrem Gefolge immer auch zu Kriegsverbrechen kommt.
Es ist klar definiert, was Kriegsverbrechen sind. Daran gibt es nichts zu deuten, denn darüber besteht breiter Konsens, der von vielen Regierungen dieser Welt geteilt wird. Das meint völkerrechtlich strafbare Kriegsverbrechen.
Ich betrachte freilich all diese Arten der Gewalttätigkeit nicht als „naturgegeben“, sondern halte sie für Anomalien der Conditio humana. Die hat unsere Spezies über mehr als tausend Jahre verfeinert und vertieft. Es bedarf intensiver Arbeit, um Menschen dafür zuzurichten. Soweit wir wissen, führt es massenhaft zu Traumatisierungen von Individuen und zur Brutalisierung von Gesellschaften.
Historisch betrachtet
Das begann nach heutigem Kenntnisstand mit den neolithischen Massakern, zu denen es auch in Österreich eines der aufschlussreichen Massengräber gibt, deren Funde gründlich untersucht wurden.
Die Seßhaftwerdung der Menschen und das Schaffen von Besitztümern, wie es mit dem Entstehen der Landwirtschaft Hand in Hand ging, ließ eine radikal neue Form der Gewalttätigkeiten aufkommen, für die es keine älteren forensischen Belege gibt.
Mit der Schlacht im Tollensetal, etwa zwischen 1300 und 1250 vor Christus, ist auf europäischem Boden das älteste Beispiel dessen belegt, was man unter Kriegshandlungen verstehen kann. Dem ging voraus, daß die Bronzezeit, wie sie auf österreichischem Boden ab rund 2300 von Christus angenommen wird, mit ihren metallurgischen Fortschritten zur Fertigung von Kleinserien führte, was die Waffentechnik auf neue Ebenen brachte.
Mit dem Westfälischen Frieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, hatten politische Prozesse begonnen, in denen verhandelt wurde, was überhaupt Krieg ist und wer befugt sei, Krieg zu führen. Eine Arbeit an Kriterien.
Das 20. Jahrhundert
Von der Haager Landkriegsordnung, die zwischen 1899 und 1907 erarbeitet wurde, führte ein breiter Weg zu den „Konventionen zu Kriegsverbrechen und Völkermord“, die zwischen 1948 und 1951 ausgearbeitet wurden.
In Österreichs Gesetzen kann nachgelesen werden, was das aktuell meint. Die „Gesamte Rechtsvorschrift für II. Übereinkommen der I. Haager Friedenskonferenz” beginnt mit dem “Begriff des Kriegführenden”.
Ich hab in der Notiz “Das Heroische und die Realität” schon erwähnt: “Wir sollten auch unterscheiden können, was reguläre Truppen sind, was eine marodierende Soldateska ist und was Freischärler sind; im Kontrast zu bewaffneten Räuberbanden.”
Das bedarf klarer Kriterien, wie wir sie innerhalb „Gesetze und Gebräuche des Krieges“ definiert haben, genauer: „Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges.“
Zitat: „Die Gesetze, Rechte und Pflichten des Krieges gelten nicht nur für die Armee, sondern auch für die Milizen und Freiwilligen-Korps, wenn sie folgende Bedingungen in sich vereinigen: 1. daß jemand an ihrer Spitze steht, der für seine Untergebenen verantwortlich ist, 2. daß sie bestimmtes aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen, 3. daß sie die Waffen offen führen und 4. daß sie bei ihren Unternehmungen die Gesetze und Gebräuche des Krieges beobachten.“
Dazu heißt es übrigens auch: „In den Ländern, in denen Milizen oder Freiwilligen-Korps die Armee oder einen Bestandteil der Armee bilden, sind diese unter der Bezeichnung Armee inbegriffen.“ [Quelle]
Ich hielte es für aussichtslos, Debatten über den krieg zu führen, dabei aber auf solche Gundkenntnisse zu verzichten.
+) Episode XXVIII: Seele (Eine Erkundung)