Matrizen und Spiritus

Das Team des „Steyr Puch Freundeskreis Deutschland“ hat vor vier Jahrzehnten begonnen, ein Club-Magazin herauszugeben.

Ein Matrizendrucker, der nicht mehr mit Spiritus, sondern schon mit Druckerfarbe gefahren wurde. (Foto: Appaloosa, CC BY-SA 3.0)

Dieses Magazin „Thondorf“ erschien anfangs mit sparsamen Mitteln in Eigenregie, in einem Umdruckverfahren. Die „Matrizendrucker“ lieferten erst auf Spiritusbasis ein blasses bläuliches Schriftbild. Dem folgten „Abziehgeräte“ mit Druckerfarbe, wodurch das Schriftbild deutlicher wurde.

Michel Kuhn, der sich seit Beginn in dieser Gemeinschaft engagiert, notierte dazu: „Das hat ein Freund in seiner Schule in Hof gemacht. Er war damals Konrektor einer Realschule und bestimmte über die Verwendung der vorhandenen Technik.“

Was nun Peter Brysch im folgenden Text zusammengefaßt hat, ist vor allem auch ein Stück Mediengeschichte. Bevor leistungsfähige Kopierer weit verbreitet waren, denen die Laserdrucker folgten, war das Vervielfältigen von Inhalten etwa per Offsetdruck erst ab einer bestimmten Mindestauflage halbwegs kostengünstig.

Meine Erinnerung besagt: Unter 300 Exemplaren war es zu teuer, kam der Stückpreis zu hoch. Für manche Zwecke wäre auch Siebdruck oder der historisch bedeutsame Hochdruck verfügbar gewesen, was aber für ein derartiges Club-Magazin wirtschaftlich nicht in Frage kam. Doch mit der Hektographie konnten bei sehr mäßigem Budgetaufwand vorzüglich Medienkompetenzen geübt und erworben werden.

Peter Brysch erinnert sich
Akademiker hatten früher meist eine unleserliche Handschrift. Das kam vom vielen Mitschreiben während der Vorlesungen, denn so richtig mit Kopieren fingen wir als Studenten erst in den 70er Jahren an.

Ich trat 1974 als Studienreferendar meinen Dienst an der Staatlichen Wirtschaftsschule in Bad Neustadt an und dort füllte ein riesiger Rank Xerox Kopierer einen großen Teil des Lehrerzimmers aus. Die Schule war im Aufbau, von der Lokalpolitik gewünscht und finanziell gut ausgestattet. Dennoch war es eine meiner ersten Maßnahmen – zusammen mit dem Hausmeister – das Zählwerk des Rank Xerox zu „beeinflussen“, denn die Firma Papier Schmitt musste nach einer gewissen Zeit schon mit einem größeren Lieferwagen anfahren.

Die ersten drei Ausgben des hektographierten Magazins

Ein Jahr später wurde ich an der Realschule in Helmbrechts, also fast zuhause, angestellt und medientechnisch zurück in die Steinzeit geworfen. Man wusste dort nicht, was ein Videorecorder war, für 20 Klassen gab es einen Overhead Projektor und im Lehrerzimmer, hinter einem Vorhang versteckt, staubte ein Spirit Umdrucker vor sich hin. Was aus so einem Ding raus kam, hatte ich noch von unserem Gymnasium in Erinnerung. Blassblaue Kopien auf arschgrauem Dünnpapier, die Seiten meist vollgeschrieben bis zu den Rändern, weil ja die Matrizen aus teurem Japanpapier bestanden und manchmal reichte es sogar zum Schnüffeln, weil der unterrichtende Referendar erst zwei vor Acht gedruckt hatte.

Ein älterer Kollege zeigte uns in Helmbrechts dann wie das Ding zum Arbeiten gebracht werden konnte. Erst mal Papier organisieren im Sekretariat, am besten schon am Vortag, denn morgens waren die Damen immer etwas ungehalten, wenn sie das Kaffeekochen unterbrechen mussten. Das arschgraue Papier nannte man da schon Umweltpapier und es war kein Urwaldholz mehr drin. Auch die Flasche mit der Umdruckerflüssigkeit sollte man bei der Gelegenheit gleich mit füllen. Mit diesem „Spiritus“ wurde dann eine quer angeordnete Wanne gefüllt, die eine Art Schwamm dann tränkte.

Das geschah mittels ein paar Drehungen der Trommel mit einer Handkurbel. Wenn es dann im ganzen Lehrerzimmer nach Spirit stank, konnte man auf der Walze seine Matrize einspannen, hinten Papier einlegen und loslegen. Neben der Walze war ein kleines Zählwerk, ähnlich einem alten Fahrradtacho.

Das konnte man sogar nullen, aber viele Kollegen zählten trotzdem laut vor sich hin. So etwa bei 40 Kopien ging es dann dem Ende entgegen und man musste den Anpressdruck mit einer Rändelschraube links etwas erhöhen, so dass das Blassblau wieder etwas dunkler wurde. Ich hatte eine 7.Klasse mit 56 Schülern und für die musste ich das System schon ganz schön auspressen. Vor dem Einlegen wollte das Dünnpapier mehrfach in alle Richtungen durchgeblättert werden. Sonst gab es jede Menge Fehlkopien mit nur teilweise bedruckten Seiten.

Das graue UWS-Papier war nicht gerade eine optische Wohltat

Viel mehr Konzentration erforderte aber das Erstellen der Matrize. Einmal in die Schreibmaschine gehauen gab es kein Zurück mehr. Fehler ließen sich nicht einfach löschen, sondern man musste halt zurück setzen, XXX drüber schreiben und noch mal neu. Später gab es dann so eine Art Korrekturflüssigkeit, die man hinten auf die Matrize pinselte, aber das mündete trotzdem immer irgendwie in eine Sauerei.

Ich kam auf den Trichter, fehlerhafte Stellen mit Tesa zuzukleben. Archivieren konnte man auch kaum was. Kopien bleichten derart aus, dass es später schon einer sehr dunklen Stufe bedurfte, wenn man eine Rettungskopie anfertigte, und die Matrizen mit Zwischenblättern lagern, führte oft zu einem Papierklumpen, den man nicht mehr ohne Verluste auseinander brachte. In Geographie zeichnete ich immer sehr schöne Karten. Das war sehr trickreich. Erst wurde ein Umriss angefertigt aus Karton oder dickem Papier, dann auf die Matrize gelegt und mit einem Stift nachgezogen. Mit der Zeit hatte ich eine ganze Sammlung Schablonen beieinander.

Na ja, irgendwann kam dann sogar ein Kopierer zu uns ins Lehrerzimmer und die größte Erleichterung war dann der PC zuhause mit Löschtaste, Speicher, Internet usw. Nix mehr mit XXX, uralte Exen ließen sich mit ein paar Änderungen aufpeppen und aus dem Netz klauten manche ganze Schulaufgaben. Es lebe die Digitalisierung.

Die Bibliothek im Web
Sie können sich die ersten drei Hefte des Clubmagazins hier duchblättern:
+) Thondorf, Heft 1
+) Thondorf, Heft 2
+) Thondorf, Heft 3

Kontext
+) Routen 238: Thondorf (Zum 40er)
+) Routen 239: Der Möglichkeitsraum
+) Die Puch-Seite (Extrapost)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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