In meinen laufenden Erzählungen kommt ein historisches Fahrzeug vor, das über seinen Status als Prototyp nie hinausgelangt ist. Ich kenne die Handwerker, die es restaurieren.
Dazu hatte ich in einer Notiz über die Arbeit am letzten noch existierenden Exemplar des Puch Landwagens behauptet: „Es gibt keine Klugheit der Hände ohne einen scharfen Verstand, der das verwaltet. Was aber, wenn dieser Zusammenhang auch umgekehrt wirksam ist? Sie ahnen es vielleicht: Was, wenn ein Erlahmen der Hände zu einem Verblassen des Verstandes führt?“ [Quelle]
August Tinauer schrieb mir dazu: „Als Facharbeiter erlebt man im täglichen Arbeitsleben das nachlassen der handwerklichen Fähigkeiten bei jungen Kollegen. Die Wegwerfgesellschaft hat das eigenhändige Reparieren von technischen Zeug nicht mehr notwendig. Die Kinder sehen es nicht von klein auf, machen es auch nicht nach. Im Kindergarten und Schule werden manuelle Fähigkeiten nicht gefördert… Man wird sehen wohin das führt.“
Das korrespondiert mit dem Bonmot „Kinder, die nichts dürfen, werden Erwachsene, die nichts können“. Zugegeben, eine etwas polemisch verkürzte Feststellung, aber sie bringt einen wichtigen Punkt zum Klingen.
Ich setze als bekannt voraus, daß sich die Art der unterschiedlichen Benutzung unserer einzelnen Finger im Gehirn durch ganz unterschiedlich große Regionen von Neuronen-Ensembles abbildet, die beim Einsatz der Hände erkennbar feuern. Deshalb kann man mit bildgebenden Verfahren am Gehirn vieles ablesen, was ein Mensch so tut und was sich in einem Menschen tut.
Visuomotorik
Vielleicht ist Ihnen der Begriff Hand-Augen-Koordination schon einmal untergekommen. Ein Menschenkind entwickelt diese Fähigkeiten üblicherweise in den ersten 24 Lebensmonaten. Knapp gefaßt: Psychomotorik handelt davon, daß mein Ich und mein Körper eine stabile Bindung haben, meine Orientierung im Raum kognitiv und physisch klappt, daß ich mit den mich umgebenden Gegenständen folglich einen gelingenden Umgang pflegen kann.
Was wir kognitiv leisten können, hat einen intensiven Zusammenhang mit unseren visuomotorischen Fähigkeiten. Da besteht ein tiefgreifendes Wechselspiel. Um den größeren Zusammenhang wenigstens anzudeuten, eine kurze Passage, die das in Stichworten bündelt:
„Allgemeine Entwicklungstests ermöglichen eine differenziertere Orientierung über ein breites Spektrum kindlicher Entwicklung und greifen im Wesentlichen auf folgende Gliederung zurück: Körpermotorik (Grobmotorik), Handgeschicklichkeit, Auge-Hand-Koordination (Visuomotorik), Wahrnehmung, kognitive Entwicklung, Sprachentwicklung, Sozialentwicklung, emotionale Entwicklung und lebenspraktische Fertigkeiten..“ [Quelle]
Zu unserer Projektarbeit
Selbstredend stellen diese Belange eine gemeinsame Quelle dar, aus der Handwerk und Kunst gleichermaßen schöpfen. Das hat eine brisante Schnittstelle zu unserer technischen Umwelt. Ich bin überzeugt, wir haben darüber nun mehr denn je nachzudenken, wo wir uns inzwischen mit selbstlernenden Systemen einrichten, an die immer mehr Fertigkeiten übergeben werden können, die davor den Menschen vorbehalten waren.
Querverweis
Ich finde in der Arbeit von Marcus Kaiser etliche Anknüpfungspunkte dafür. Was ich bisher sehe, betont vor allem diese Wechselwirkung zwischen dem Gewachsenen und dem Gemachten auf eine sehr sinnlich erfahrbare Art, teilweise auch begehbar, sogar bewohnbar. (Hier könnte ein Narrativ ansetzen, künstlerisch ausgearbeitet, um Erfahrungen mit diesem größeren Zusammenhang anzubieten.)
+) Tesserakt (Das Quartett. Ein Neudau-Projekt.)
+) Das Neudau-Projekt (Übersicht)
+) Die Puch-Seite