Wir könnten uns langsam damit befassen, daß eine Kulturrevolution von rechts sich prächtig entwickelt hat und längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Ich hab ein paar Bücher aus meiner Bibliothek herausgegriffen, um einen Eindruck zu liefern, daß mindestens lesefreudige Menschen seit den 1970er Jahren laufend informiert sein konnten, was sich in rechten Sektoren der Gesellschaft entwickelt und ereignet.
Aktuell mag ich eine Publikation aus dem Jahr 2020 empfehlen: „Rechtes Denken“ (Die Krise der Aufklärung) von Martin Hochegger und Friedrich Wegenstein.
Ich hab dieses Geschehen bisher in unzähligen Glossen und Notizen kommentiert. Seit den 1980ern bewährt sich quer durch Europa eine Neue Rechte, die ihre Codes, Posen und ihr Kommunikationsverhalten im Vergleich zu älteren Faschisten grundlegend geändert hat.
Ihre Strategien sind kein Geheimnis und jedes Gerichtsverfahren hat unter anderem zur Folge, daß die jeweiligen Codes überarbeitet werden, auf daß die entsprechend Inhalte weiter verbreitet und etabliert werden können, aber nicht mehr klagbar sind.
Ich halte das für eine Kulturleistung, die mich beeindruckt, doch nicht erfreut. Die Neonazi der 1970er und 1980er Jahre wirkten teilweise noch unter der Patronanz überaus agiler Originale aus der Nazi-Zeit. (Ich hab durch meine Familie einige der alten Faschisten näher kennengelernt. Dieses Klima ist mir vertraut.)
Um Widerstände abzubauen und politische Ziele zu erreichen, um sich vor allem in jedem nur denkbaren Bereich gesellschaftlicher Institutionen etablieren zu können, war die erwähnte Kulturleistung nicht bloß naheliegend, sondern konstituierend.
Davon haben übrigens auch russische Neofaschisten wie Alexander Dugin und sein Milieu sehr profitiert. Die ganze Eurasia-Bewegung, wie sie etwa Putin gut zu instrumentalisieren verstand, ist Nutznießerin dieser westlichen Kulturleistungen.
Lesen hilft
In den 1970er und 1980er Jahren war immerhin schon eine reiche Auswahl an Literatur allgemein verfügbar. Das gesamte Nazi-Regime mit seinen Wirkungen in allen Lebensbereichen stand gründlich untersucht und dokumentiert zur Debatte, Faschismus-Theorien wurden hitzig diskutiert (Habermas-Kontroverse etc.).
Dazu kamen für mich wichtige Impulse aus den Frauenbewegungen, weil deren konsequente und kritische Befassung mit dem Patriarchat sowie mit der vorherrschenden Männerkultur logischerweise allerhand Überlappungen mit dem Faschismus aufzeigte.
Es waren Jahre, in denen einst sehr hochrangige Nazi wie Karl Dönitz oder Albert Speer den diversen Anhängerschaften noch als Bezugspersonen zur Verfügung standen.
Ende der 1980er Jahre, Anfang der 1990er, erschien aufschlußreiche Literatur über die neuen Phänomene, über die bedeutende politsche Innovation, also über das, was als Kulturrevolution von rechts angelegt war. Österreich, Frankreich, Italien, Ungarn etc., das manifestierte sich auch in etablierten politischen Parteien.
Rechtsradikale Leute wie Gerd Honsik oder Gottfried Küssel entwickelten sich dabei im öffentlichen Leben zu „Auslaufmodellen“. Die Hardcore-Leute wirken heute hinter den Kulissen. Dabei sind ihnen die „Neuen Medien“ und Social Media enorm nützlich.
Es hat bis in die Gegenwart nie an aufschlußreicher Literatur gemangelt, falls man erfahren wollte, wie sich all das entwickelt. Manche aus meinem Milieu werden sich erinnern, daß der Begriff „Gegenkultur“ in den 1970ern und 1980ern umfassend mit linken Positionen besetzt war. Das hat sich geändert. Heute wird zum Beispiel die oststeirische „Kulturfestung“, vormals die „Identitäre Bewegung“, vom „Heimat-Kurier“ als Beispiel einer aktuellen Gegenkultur promotet.
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