Wir hatten in der Oststeiermark einst eine sehr hohe Dichte an Mühlen. Viele Gassen- und Straßennamen erinnern daran.
Dieses Metier hat sich quer durchs 20. Jahrhundert radikal verändert. Das hing nicht nur mit staatlichen Reglementierungen und einer globalisierten Wirtschaft zusammen. Es waren auch einige Technologiesprünge maßgeblich.
Einige Gespräche haben mir verdeutlicht, wie wenig Ahnung ich von diesem Wirtschaftszweig habe, immerhin eines der Fundamente unserer Ernährung. Am Beispiel von Rainer Schalk (Schalk-Mühle in Kalsdorf bei Ilz) fiel mir auf, wie viele verschiedene Metiers ein Unternehmer in diesem Bereich beherrschen muß, um seinem Betrieb Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Technologiesprünge
Die Ablöse der Mühlsteine durch den Walzenstuhl ist einer der prägenden Innovationen, von denen die Branche grundlegend verändert wurde. Doch es ging beim Mühlen schon lange nicht mehr nur um das Vermahlen von Getreide oder um das Ölpressen.
Da Mühlen über Jahrtausende ein Hauptereignis in der Entfaltung von menschlicher Maschinenbaukunst waren, entstanden nahe der Nutzung von Wasserkraft allerhand an Querverbindungen zu anderen Unternehmensarten. Ein häufiger Verlauf: Die Mühle wird um ein Sägewerk erweitert.
Die Wasserkraft bietet schließlich über Turbinen elektrischen Strom an, was den Bau von Kleinkraftwerken nahelegte. (Da hatte rund um 1900 eine enorme Entwicklung eingesetzt.)
Nun wirkten plötzlich die Kräftespiele von mehreren Branchen auf einen Betrieb ein, die verschiedenen Marktlagen und die behördlichen Vorschriften. Dieses Geschäft wurde also sehr komplex.
Das führte mitunter zu Anforderungen, denen nachzukommen Kosten verursachte, welche da und dort einfach nicht erwirtschaftet werden konnten. Ein aktuelles Beispiel dafür sind die vorgeschriebenen Fischaufstiegshilfen, mit denen Staustufen versehen werden müssen.
Zitat: „Fische führen Wanderungen in Gewässersystemen durch, um eine optimale Nutzung vorhandener Ressourcen in Bezug auf Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung, Schutz vor Feinden etc. zu erreichen…” (Aus dem ministeriellen „Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegshilfen“, der 224 Seiten umfaßt.) Das hat teure Maßnahmen zur Folge.
Das vorige Jahrhundert
Heidrun Schalk, die zum Fürstenfelder Zweig der Familie gehört, hat mir einen Eindruck vermittelt, wie der Betrieb innerhalb zweier Generationsfolgen Kategoriensprünge gemacht hat.
Schalk: „Mein Urgroßvater, der eben die Mühle in Kalsdorf betrieben hat, hatte drei Söhne. Ein Sohn (Rainer Schalk) übernahm eben jene Mühle, für die beiden anderen hat er die Mühle in Fürstenfeld angekauft (Erwin – mein Großvater, Herbert – dessen Bruder). Herbert ist in weiterer Folge nach Siezenheim bei Salzburg gezogen und hat dort die (Zieh-)Tochter einer Müllers-Familie geheiratet (Haidenthaller-Mühle) und diese Mühle betrieben.“
Hier zwei Fotos von der Mühle an der Feistritz. Der von Heidrun erwähnte Rainer Schalk (Stammwerk Kalsdorf) ist offenkundig der Großvater jenes Rainer Schalk, von dem ich jüngst detailliertere Einblicke in die Branche bekommen hab. Heidrun Schalk weiter: „Mein Vater (Dieter) hat den Familien-Mühlenbetrieb nicht übernommen“, …sondern einen Teil des Anwesens unterhalb der Festung Fürstenfelds. Schalk: „Mein Großvater hat die Mühle stillgelegt und das Mühlengebäude verkauft.“ Heidruns Vater Dieter, ein Ziviltechniker, betrieb allerdings das E-Werk weiterhin. (Es wurde vor rund einem Jahrzehnt verkauft.)
Heute wird regional kaum noch wo ein Mühlenbetrieb geführt, also Getreide vermahlen. Dafür hat sich die Marktsituation zu gravierend verändert. Allerdings haben manche Unternehmer sehr flexibel reagiert und konnten andere – teils verwandte – Geschäftszweige entwickeln, etablieren.
Oder eine der ursprünglichen Geschichten endete, wie am Beispiel der Fürstenfelder Schalk-Mühle, mit dem Ruhestand des Betreiber-Ehepaares, wo die Kinder und Enkelkinder andere Berufswege eingeschlagen haben. In der Wirtschaft ein banaler Vorgang, in den Familiengeschichten bedeutsame Brüche. So oder so sind das aber unausweichliche Prozesse, um nicht in veralteten Posen unterzugehen.
Postskriptum
Es gilt in vielen Beschreibungen die Textilindustrie als „Mutter der Industrie“, denn mit effizienten Dampfmaschinen kamen mechanische Webstühle und Spinnmaschinen („Spinning Jenny“) auf, veränderten die Wirtschaft, also auch die sozialen Gefüge.
Unruhen, Weberaufstände und Maschinenstürmerei begleiteten diese Entwicklungen. Aber die Mühlen mit ihren Wellen, Lagern und Getriebeformen zeigen die weit längere Tradition des Entwickelns mechanischer Lösungen, um Arbeitsvolumina und Arbeitslasten günstiger zu verteilen.
+) Mühle (Eine Übersicht)