Ich hab in der vorangegangenen Notiz den Begriff „Gegenkultur“ erwähnt. Damit war ein in den 1960ern und 1970ern neues Feld benannt, das sich gegen bürgerliche Repräsentationskultur abgrenzte.
Vor rund 40 Jahren war es undenkbar, den Begriff „Gegenkultur“ mit radikal rechten Positionen zu assoziieren. Das hat sich gründlich geändert. Was aber meint „ Repräsentationskultur“? Ich möchte es etwas polemisch verkürzt so skizzieren. Sie erleben das Echo der alten Repräsentationskultur heute zum Beispiel folgendermaßen. Bei einer Vernissage spricht erst der Bürgermeister, dann der Kulturreferent. Schließlich erläutert eine Kunsthistorikerin, womit man es zu tun bekommt.
In dieser Abteilung werden alle verfügbaren akademischen Titel genannt, egal, wofür sie stehen. Zwischendurch oder hinterher gibt es eine „musikalische Begleitung“. Außerdem will eventuell die Person, von welcher die ausgestellten Werke stammen, noch etwas sagen. Das alles dauert.
Falls es eine Frau ist, bekommt sie anschließend womöglich einen Blumenstrauß in die Hand gedrückt, für Männer sind Weinflaschen sehr beliebt. Dann geht’s zum Pressefoto. Da haben wir neben zwei Leuten aus der Kunst und zwei Leuten aus der Politik oft noch jemanden aus der Verwaltung drauf, was in stattliches Gruppenfoto ergibt. Ergo erkennt man dann im Blatt kaum jemanden.
Solche Fotos tauchen natürlich auch im Facebook, auf Insta etc. auf. In neun von zehn Fällen gibt es dabei keine Bildunterschriften. Außenstehende werden also nie erfahren, wen man auf den Fotos sieht, außer man kennt den Bürgermeister. Und die regionalen Zeitungsberichte? Achten Sie darauf! Wenn der Artikel nicht bloß Briefmarkengröße hat, sondern ausführlicher daherkommt, werden Sie recht oft folgende Gewichtung finden.
Bürgermeister und gastgebende Person (Wirtschaft oder Verwaltung) werden konkret zitiert, die primäre Kraft, von welcher der Content kommt, ist kein Zitat wert. Das sind Merkmale einer bürgerlichen Repräsentationskultur. Weshalb ist das so? Erstens gehört es zu den bürgerlichen Standesregeln, daß man sich mindestens kulturbeflissen und kunstaffin zeigt, besser noch, daß man es real ist.
Zweitens soll der geleistete Aufwand per Leistungsaustausch abgegolten werden, also a) Medienpräsenz und b) einen Gewinn an Sozialprestige liefern. Bedenken Sie, daß viele Menschen der Mittelschicht (oder sozial aufstrebende Subalterne) in ihrem gewählten Beruf oft schon die Decke einer Hierarchie erreicht haben.
Wollen sie in einem Gemeinwesen nun noch eine Prestigegewinn erwirken, ohne durch eine spezielle berufliche Leistung hervorzustechen, ist der Kulturbetrieb eventuell die einzige Chance, eine nächste Sprosse zu erklimmen.
Das mag zwar den sozialen Frieden in einem Gemeinwesen stärken, das geistige Leben und die Zukunftsfähigkeit einer Gemeinschaft werden davon aber eher belastet. Fußnötchen: Christlichsoziale und Sozialdemokratie der Steiermark haben eben kulturpolitische Grundsatzpapiere verabschiedet.
Werden wir darin dieses ganz reale kulturpolitische Problem genannt finden? Oder auch die in voller Blüte entfaltete Kulturrevolution von rechts? Und damit meine ich nicht konservative Kräfte, sondern Neofaschisten, Identitäre und Leute, von denen diese Republik offen angefochten wird. Lassen Sie mich kurz nachsehen. Nein. Das kommt nicht zur Sprache. (Fortsetzung)
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