Es war die gleiche Sonne

Das wurde eine für mich sehr anregende Geschichte, als Graphic Novelist Chris Scheuer auf etliche meiner Gedichte sehr markant reagiert hat.

Vom Holzschnitt zum Booklet zur digitalen Publikation…

Er meinte, darauf möchte er antworten, aber dazu müsse er wegen jener Intensität, die er vorfand, in ein sehr viel mehr körperliches Medium gehen, als der Zeichenstift es sei. Scheuer erwog den Holzschnitt. Eine Technik, die er davor noch nie verwendet hatte.

Darin lag etwas Elegantes, denn Scheuer ist bekennender Dürer-Fan. Er war schon als Kind von dessen Arbeiten so bewegt, daß er sie damals zu kopieren begann. Wenn wir also nun ins Holz gingen, hieß das unter anderem, ein halbes Jahrtausend Mediengeschichte aufzugreifen.

Vom Holzschnitt, einem frühen Massenmedium, zum digtitalen Druck und nun auch zur jungen Variante als NID, als ein Networked Interactive Document. Wir begannen also, uns erst einmal kundig zu machen, was für eine Serie von Holzschnitten an Material und Werkzeug benötigt wird.

Bald waren die Messer verfügbar. Die Frage des Holzes blieb am besten mit einem erfahrenen „Sagler“ zu bereden. Holz Felber war einst Hofmühle und ist heute als Sägewerk in Gleisdorf nach wie vor präsent. Nachdem geklärt war, was sich an Holz für die Druckstöcke eignen würde, ging es in die Halle. Hobeln und zuschneiden…

Für den Druck war mit Buchbinder Johann Kober im Schloß Freiberg gut zusammenzuarbeiten. Die alte Kniehebelpresse, der riesige Arbeitstisch… Als die Holzschnitt-Serie fertig war, schlug ich vor, daß wir auch eine herkömmliche Publikation realisieren sollten.

Ich wollte aber klargestellt haben, daß es hier um einen Dialog geht, nicht darum, daß Scheuer meine Gedichte „illustriert“ habe. Das schien mir am besten umsetzbar, indem ich zwei separate Booklets gestalte, die zwar unter dem gleichen Titel laufen, doch einander als Bändchen so gegenüberstehen, wie zwei reale Personen im Gespräch. Hier nun im Web:

+) martin krusche: es war die gleiche sonne
+) chris scheuer: es war die gleiche sonne

Postskriptum
Der damalige Kontext lautete: 20. April 2016, Führers Geburtstag. Zitat: „Ich weiß schon, die Vaterländischen wollen es nicht verstehen. Ich hab auch keinen Grund, es ihnen erklären zu wollen, weil sie gute Gründe haben, sich dagegen taub zu machen. Tatsache ist, daß ihre menschenverachtenden Reden, die gerade wieder anschwellen, durch das ganze 20. Jahrhundert hindurch stets der Beginn von Wegen waren, die in Massaker mündeten.“

Da hieß es unter anderem: „Ich habe heute, am 20. April 2016, mit dem Graphic Novelist Chris Scheuer und dem Buchbinder Johann Kober in dessen Werkstatt an einer wuchtigen Presse gestanden, um jene Holzschnitte zu drucken, mit denen Scheuer auf das Gedicht-Ensemble ‚es war die gleiche sonne‘ geantwortet hat.“ [Quelle]

+) Bücher (Übersicht)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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