Und übrigens: Kultur! II

Was ich derzeit zu klären habe: Wurde ich aufgrund der mehr als 40 Jahre Praxis in Wissens- und Kulturarbeit von der Zeit überholt und bin daher ein Gestriger geworden?

Die $ubway Press Literaturnacht von 1985

Es sind inzwischen ja längst nächste Generationen losgezogen, prägen den steirischen Kulturbetrieb. Oder ist da, wo ich mich derzeit befinde, vorne? Das kann man in Zeiten weitreichender Umbrüche für sich selbst nicht klären.

Aber mir scheint, da haben sich verschiedene Kulturfelder entfaltet, deren Prinzipien nicht generell vereinbar sind. Eine Praxis des Kontrastes? Wenn wir diese unterschiedlichen Felder alle mit den gleichen unscharfen Begriffen belegen, sind wir kulturpolitisch im Blindflug unterwegs.

Von einigen Anfängen
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre standen wir jungen Kulturleute einigen Formationen gegenüber, die aus diversen kulturellen Sezessionen hervorgegangen sind. Das Forum Stadtpark war in meiner Wahrnehmung das prominenteste Sezessionsprodukt.

1985: Auf Konfrontation mit Fredi Kolleritsch

Ich erinnere mich ferner an politisch geprägte Kultureinrichtungen, die von Leuten getragen wurden, denen Widerspruch und kritischer Diskurs kein essenzielles Problem waren, wie das heute häufig vorkommt. Das „Modell Steiermark“ (ÖVP) zum Beispiel oder die „Steirische Kulturinitiative“ (SPÖ).

Diese Erinnerungen sind für mich mit Persönlichkeiten wie Gazi Herzog, Gerald Brettschuh, Richard Kratochwill oder Helga Konrad verbunden. Was damals an Kritikfähigkeit und Diskurskraft der etablierten Leute zu erleben war, scheint weitgehend verschwunden zu sein.

Vernetzung? Eine Essenz der 2022er Drexler-Konferenzen lautet: „Wir brauchen Vernetzung!“ Weshalb haben wir die nicht? Alle Werkzeuge dafür sind schon ewig verfügbar. Erst auf der Printebene, dann im Web. Oben links ein Beispiel von 1988, rechts eines von 1990. (Kann ich beliebig erweitern.) Wenn „die Szene“ also nicht vernetzt ist, dann vor allem deshalb, weil sich die Akteurinnen und Akteure nicht dazu aufraffen. Kennen Sie das Bonmot „Geld spielt nicht Fußball“? (Raten Sie, wie ich darauf grade komme!)

Gegenkultur
Dieser Begriff, auch Termini wie „Subkultur“ oder „Szene“, waren in den 1970er und 1980ern eindeutig links der Mitte besetzt. Heute wirbt die radikale Rechte mit solchen Worten. Ich hatte die Jahre 1980/81 in Hamburg und Berlin verbracht, war entsprechend von bundesdeutschen Entwicklungen beeindruckt. Das „Ulcus Molle-Info“ aus Bottrop, die „Mainzer Minipressen Messe“, der „Chaos Computer Club“ in Hamburg.

Zwei weiter Beispiele aus der Oststeiermark, links von 1986, rechts von 1991.

Ab 1982 hab ich in Graz umgesetzt, was mir zu all dem durch den Kopf ging („$ubway Press Literaturnacht“, „Garage Graz“ etc.). Mitte der 1980er bin ich in die Oststeiermark gezogen. Seither befasse ich mich mit Wissens- und Kulturarbeit abseits des Landeszentrums. So kann ich mit Überzeugung sagen: Ich bin vom Fach. Aber befinde ich mich auf der Höhe der Zeit?

Die Wissens- und Kulturarbeit konnte gegen Mitte der 1990er Jahre ins Web verzweigt werden. Erst per BBS, die „Bulletin Board Systems“, schließlich via WWW, das World Wide Web. Österreichs Netzkultur-Szene hatte mit der Meko 99 eine Glanzpunkt.

Das war unsere 1999er Medienkonferenz in Linz (Zeitungsleute, Freies Radio, Server-Crews) und daraus abgeleitet: „sektor3medien 99. Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik“:.Mit dem, was uns Social Media inzwischen beschert haben, hatten wir freilich nicht gerechnet.

Also 1999: Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik Was davon blieb? Fragen Sie nicht! Ach so, was ich erwähnen sollte: seither hat die Neue Rechte quer durch Europa beeindruckend Fahrt gemacht. Gleichermaßen kultur- und medienpolitisch. (Fortsetzung)

+) Vorlauf
+) Ein Feuilleton

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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