Und übrigens: Kultur!

Wir haben ein semantisches Problem. Sind unsere Begriffe ausgebleicht und beliebig, wissen wir nicht, worüber wir reden.

Offene Gesellschaft oder geschlossene Systeme?

Derlei kommt in allerhand Genres vor. Für den Kulturbetrieb ist es pures Kryptonit. Ich bin seit Ende der 1970er Jahre aktiver Teil dieses steirischen Kulturgeschehens. Annähernd alle grundlegenden Begriffe, die heute in der „Initiativenszene“ kursieren, waren mir vor rund 40 Jahren schon geläufig.

Die meisten dieser Begriffe und das, was sie in der Betriebsrealität bezeichnen, ist kaum noch auf diese alte Art in Deckung. Wie auch? Unsere Gesellschaft und deren Bedingungen haben sich die letzten 40 Jahre radikal verändert. (Also müßten die Bedeutungszuweisungen überprüft werden.)

Dem gegenüber kenne ich aus mindestens den letzten 20 Jahren keine nachvollziehbaren Bemühungen, dieses semantische Problem zu bearbeiten. Wenn wir aber unsere Begriffe unscharf werden lassen, wird aus einem Diskurs Propaganda und das schafft Raum für verdeckte Intentionen.

Ich halte genau das für gegeben und meine, darin liege ein Anteil meiner Branche am Rechtsruck, den ich im steirischen Kulturbetrieb feststelle. (Siehe dazu meine Kolumne „Rechtsruck“!)

Wenn man zum Beispiel eine staatsnahe Kultureinrichtung, die nur durch wesentliche staatliche Kofinanzierung überhaupt existieren kann, mit Termini wie „freie“ oder „autonome“ Initiativenszene belegt, macht das auch den Begriff „Initiativenszene“ völlig beliebig belegbar und verdeckt, was dahinter leicht geschieht. Damit ist nämlich einer Gängelung primärer Kräfte der Boden bereitet, an dessen Rändern Funktionärspersonal schon bereitsteht, um festzulegen, wo es langgeht, zu welchen Bedingungen es da langgeht.

Ich finde, wir sollten branchenintern wieder einmal klären, worin sich sie Konzepte „bottom up“ und „top down“ unterscheiden, wie sich dabei primäre Kräfte, Politik und Verwaltung zueinander verhalten mögen.

Unser Metier kann ohne anregende Narrative und markante Bilder nicht vorankommen, kann ohne klare Begriffe und ein entsprechend klares Selbstverständnis der primären Akteurinnen und Akteure keine relevanten Beiträge zur Zukunftsfähigkeit eines Gemeinwesens leisten.

Das einseitige Kapern und Umdeuten von Begriffen seitens etablierter staatlicher oder staatsnaher Kräfte bewirkt etwas, das wir von einem anderen Feld her schon kennen. Wenn etwa die industrielle Landwirtschaft ihre Produkte mit Bildern und Begriffen der bäuerlichen Landwirtschaft bewirbt, vermarktet, ist der ursprüngliche Bereich seiner Kommunikationsmittel beraubt und in seinen Handlungsoptionen gefesselt.

Wir sollten in unserem Metier daher aktuell klären, mit welchem Sortiment von Rollenkonzepten wir diese Arbeit machen, nämlich Wissens- und Kulturarbeit, und wodurch wir unterscheiden, ob Politik und Verwaltung uns dabei a) begleiten und verstärken oder b) durchrekrutieren. (Fortsetzung)

+) Ein Feuilleton

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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