Ich hab es an verschiedenen Stellen schon betont. Die Frage „Was ist Kunst?“ halte ich für antiquiert.
Ich finde interessante Möglichkeiten durch die Frage „Wann ist Kunst?“, denn mein Leben in der Kunst läßt mir keine Zweifel: da geht es um sehr dynamische Phänomene. Die Dynamik kommt ganz wesentlich aus dem Wechselspiel zwischen individuellen Prozessen, laufenden Wahrnehmungserfahrungen, gesellschaftlichen Veränderungsschüben und dem jeweiligen Stand der Diskurse über Kunst.
Ich bedaure! Aber falls Sie nach einem Genre gesucht haben, in dem Ihnen das „Wahre, Schöne und Gute“ als halbwegs gesichert definiert und zurechtgestellt erscheint, sind Sie mit Religion vermutlich besser beraten.
In der Kunst ist es heute so, wie es auch in der Wissenschaft sein sollte. Da geht es primär um Grundlagenarbeit. Alles andere kommt danach. Dieser und jener Nutzen, Distinktionsmechanismen, Reputation, Markt und Geld, alles nachgeordnet.
Die Verwaltung nicht zu vergessen, wie sie bei den Inhalten so gerne mitmischt. Jene Verwaltung, die uns oft zur belastenden Bürokratie wird, weil Verwaltungskräfte zuweilen gerne handeln, als wären sie politisches Personal, was sie nicht sind, manchmal sogar als wären sie Kunstschaffende.
Ich hab vorhin Distinktionsmechanismen erwähnt. In diesem Zusammenhang kapern Hobby-Leute gerne materielle und immaterielle Ressourcen, die unter dem Titel Gegenwartskunst bereitgestellt wurden.
Kulturpolitik? Lustig! Ich finde in meinem Metier seit wenigstens 30 Jahren nicht einmal den Ansatz eines öffentlichen kulturpolitischen Diskurses, der wenigstens ein Stück Kontinuität schaffen würde. Kritische Debatten? Weitgehend abgeschafft.
Ich weiß auch, warum das so ist. In der Res publica, die eine öffentliche Angelegenheit sein sollte, bewährt sich Geheimdiplomatie, um individuelle Vorteile zu erringen. Aber die Kunst! Ja, die wird von Menschen belebt, denen im Alltag ganz banale Aufgaben und Zahlungsverpflichtungen auferlegt sind.
Also kommt es sehr auf Rahmenbedingungen und auf Lebensbedingungen, auf Einkommenssituationen der Kunstschaffenden an, wie sich das geistige Leben eines Gemeinwesens zu entwickeln vermag.
Da steht es der Politik frei, mehr auf Qualität oder mehr Fügsamkeit zu setzen, mehr auf Konsumation oder mehr auf Partizipation. Und die Kunst? Mein Kunstbegriff ist von der Kunsttheorie des Boris Groys geprägt. Werke, also Artefakte und Prozesse, stehen in konkreten Zusammenhängen, werden darin symbolisch entweder auf- oder abgewertet.
Diese Wechselspiele von Valorisierung und Trivialisierung bestimmen ganz wesentlich, was wir als Kunstwerk akzeptieren und was nicht. (Die Vorstellung von einem „Kunstwerk an sich“ wäre mir viel zu religiös.) Haben Sie es bemerkt?
Gemäß der Groys’schen Kunsttheorie kann heute als Kunstwerk anerkannt sein, was morgen als Kitsch oder als Dekoration gilt. Aber banal erscheinendes Zeug kann auch aufgewertet werden und wandert so in die Archive der Kultur.
Also fühle ich mich bei einer Ansicht von Markus Lüpertz halbwegs wohl, der meinte, die Arbeit als Künstler sei ein Ringen um Qualität und Vollendung. Genau! Das ist etwas Prozeßhaftes. Dynamisch.
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