Ich finde gute Gründe, mich in Debatten für ein relevantes geistiges Leben zu exponieren, weil der Boulevard sehr breit geworden ist.
Auf den Gehsteigen dieses Boulevards wird gerne getuschelt und geraunt, daß man die knappe Aufmerksamkeitsspanne der Menschen berücksichtigen müsse, nicht über Gebühr strapazieren dürfe. Also möge vieles kurz gefaßt und plakativ sein, unterhaltsam sowieso.
Ist das so? Das ist schon okay, so lange Proponenten dieser Lebensart nicht an mir herumzerren. In einer Demokratie muß es einem frei stehen, die knackige Unterhaltung zu bevorzugen. Der Circus Maximus hat nie geendet.
Auch ich finde es übrigens unterhaltsam, wenn stattlich gebaute und pfiffig frisierte Menschen zur Unterhaltung von Massen geschlachtet werden, wie uns das etwa „Reality TV“ anbietet. „Ex on the Beach“, „Kampf der Realitystars“, „Temptation Island“, es ist staunenswert, welches Maß an Selbsterniedrigung das Personal der Arena erträgt, um Sendezeit zu bekommen und das Publikum für sich zu begeistern.
Der regionale Kulturbetrieb ist nicht annähernd so radikal, aber die Waagschalen „Konsumation“ und „Partizipation“ werden sehr unterschiedlich gefüllt. Wir müssen darüber nicht streiten, „Konsumation“ ist einfach das gefälligere Business, in dem man gut mit Zielvorgaben arbeiten und die eigene Karriere besser steuern kann.
Bevorzugt man dagegen das Engagement für Formen der Partizipation, ist doch ziemlich ungewiß, was aus einem selbst wird, weil dann Menschen sehr viel mehr mitreden, als einem lieb sein könnte. Aber die Kunst! Denn ich bin doch Künstler. Was also treibe ich da?
Man kann wissen, daß ich kein Freund von „engagierter Kunst“ bin, daß ich zur Ansicht neige: „Kunst um zu…“ ist meist keine. Ich bevorzuge Trennschärfe. Ich bin a) Künstler und b) Staatsbürger, also Teil eines Gemeinwesen.
Meine künstlerische Arbeit sehe ich ähnlich wie in der Wissenschaft die Grundlagenforschung gesehen wird. Meine künstlerische Praxis ist Grundlagenarbeit und hat als einen der Hauptgegenstände Wahrnehmungserfahrungen. (Aisthesis ist das altgriechische Wort für Wahrnehmung, damit ist Ästhetik eigentlich gemeint.) Das beruht auf keinem pädagogischen Konzept, das will und muß nicht belehren.
Auf meinem Kontinent lautet die Frage daher nicht: „Was will uns der Künstler sagen?“ Sie lautet eher: „Was löst das Kunstwerk in mir aus?“
Ich sehe keinen Grund, die Autonomie der Kunst, also ihre Eigengesetzlichkeit, anzufechten oder außer Kraft zu setzen. Wo ich mich zu Themen engagiere und in den öffentlichen Diskurs eingreife, tue ich das als politisch anwesender Staatsbürger, als ein Akteur des Gemeinwesens. (Das sind keine künstlerischen Akte!)
Das hat freilich eine romantische Seite, denn ich sehe mich dabei als Intellektueller in der Tradition von Emile Zola, als ein Hommes de lettres, der sich ohne Auftrag oder Einladung in die öffentlichen Debatten einbringt.
Dabei bleibt für mich stets zu unterscheiden: Was sind Argumente zur Sache und was sind Argumente zur Person? Was wird begründet und was bloß verkündet? (Siehe dazu auch: „D:Demo #64, Kunst & Politik„!)
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitik)
+) Meta (-ebene, eine Übersicht)