Es ist unausweichlich, nun sehr konkret zu werden. Ich will Ihnen exemplarisch eine Neofaschistin vorstellen, die es real gibt, die in Gleisdorf ihre glamourösen Momente hatte.
Die Zuschreibung „Faschistin“ kann nicht leichtfertig vorgenommen weren. Daher lege ich im ersten Teil des Features einmal ein paar Merkmale dar. Zu meinem Befund bin ich aufgrund der öffentlichen Mitteilungen dieser Frau gekommen.
Das heißt, ihre Beiträge zu öffentlichen Diskursen sind meine Quellen. Was sie selbst mitgeteilt und gezeigt hat, sind die Gegenstände meiner Rezeption und Deutung. Ich spekuliere nicht über ihre inneren Vorgänge. Ich halte „Gesinnungsschnüffelei“ für problematisch. Aber öffentliche Quellen sammeln und deuten, das scheint mir für die Situation angemessen.
Ich meide pyschologische und andere Ferngutachten, halte sowas für dubiose Praxis. Jedoch Text, Kontext und Subtext von vorhandenen Quellen können wir alle lesen und entschlüsseln. Ferner finde ich dieses populäre Bonmot sehr einleuchtend: Wenn es geht wie eine Ente, quakt wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und aussieht wie eine Ente, dann wird es vermutlich eine Ente sein.
ich kenne den Klarnamen von Frau Fide Veritas, konnte daher ihre Botschaften, Memes und Zugehörigkeitsadressen identifizieren. Sie hat und via Social Media allerhand mitgeteilt, was inzwischen freilich längst gelöscht wurde. (Ich gehe davon aus, daß sie auf anderen, weniger öffetlichen Plattformen weiter aktiv ist.)
Ich nutze aber nur das, was öffentlich und vollkommen frei zugänglich war, also massenmediale Eigenschaften hatte. Ich halte sie für ein zeitgemäßes Beispiel dessen, was ich hybriden Neofaschismus nenne. Das heißt, hier werden Elemente und Codes ganz verschiedener soziokultureller Konzepte kombiniert, die teilweise den Eindruck erwecken sollen, hier sei eine ganz „normale“ Position gegeben, es spreche eine kritische Bürgerin dieser Republik.
Ich habe nicht den Eindruck, hier sei geschultes Kaderpersonal auf dem Set, wie ich das von der Neonazi-Szene kenne. Es ist ein eher bekennerhaftes Vorgehen, mit einiger Angriffslust unterfüttert. Ich erinnere mich an Neonazi, die noch von den Originalen geschult wurden. Die Neofaschisten nehme ich anders wahr. Sie verkörpern, was ich für die erstaunliche Kulturleistung der Neuen Rechten halte, die sich quer durch Europa recht erfolgeich um eine politische Zukunft bemüht hat. Ihr Angriffslust ist kulivierter und ist besser mit bestehenden Communities kombinierbar.
Deshalb meine Bezeichnung hybrider Neofaschismus. Ich denke nicht, daß sich dieser Neofaschismus kostümiert, Mimikry übt, sondern reht offen zeigt und tatsächlich nennenswete kulturelle Anteile hat, die für sich vollkommen unverdächig erscheinen.
Der Unterschied macht den Unterschied
Darum noch einmal deutlich: Ich unterscheide zwischen Faschisten und Neofaschisten aus folgenden Gründen. Die eine Liga, Faschisten, sind für mich die historischen Originale, mit denen ich aufgewachsen bin. Jene, die ich näher kannte, da ich aus so einem Clan stamme, waren ideologisch fundierte Leute, eloquent und weltgewandt. Sie sind direkt mit dem Holocaust verquickt gewesen, keine bloßen Mitläufer, sondern Täter.
Unter ihrer Patronanz hatten sich in meiner Generation Neonazi entwickelt, entfaltet. Die habe ich ebenfalls als ideologisch fundiert erlebt. Unter ihnen geschulte Kader. Manche waren auf das Rekrutieren spezialisiert, andere auf das Verkünden. Leute wie Küssel oder Honsik, um zwei prominente Beispiele zu nennen, schienen mir in ihrem Habitus recht unverkennbar.
Die hybriden Neofaschisten nutzen inzwischen jene Kulturarbeit, wie sie in Europa die Neue Rechte seit den 1980er Jahren geleistet hat. Durchaus beeindruckend, aber eben auch bestürzend. Diese Leute wirken in den meisten Situationen unbedenklich, fallen nicht durch martialisches Gehabe auf, sondern bringen ihre Interessen sehr geschmeidig ein. Aber manchmal geht das Sendungsbewußtsein mit ihnen durch… (Fortsetzung)
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