In meiner Korrespondenz mit Künstler Marcus Kaiser kam ich unter anderem mühelos auf einige Motive aus der Quantenphysik.
Ich bin überzeugt, daß es sich sehr lohnt, die Schnittpunkte zwischen Kunstpraxis und Quantenphysik zu bearbeiten. Künstlerische Arbeit ist ja nicht primär da, einem Publikum Anregung zu sein. Dem kann man sich zuwenden, wenn die primäre Arbeit erledigt ist. Das bedeutet, ich entscheide mich für bestimmte Fragen und Aufgabenstellungen, die ich mit Mitteln der Kunst bearbeite. Im Werk manifestiert sich diese Arbeit.
Die mag man, je nach Laune und Situation, auf eine Bühne oder in eine Galerie tragen, auf den Markt werfen oder einem Sammler anvertrauen. Das sind für mich andere Aspekte des Themas, mit denen ich mich im Moment nicht befasse.
Ich habe einerseits das Thema Quantenphysik erneut aufgegriffen, weil mich im Zusammenhang mit meiner „Matrix der Gewässer“ interessiert, was denn nun genau Elektrizität ist. (Das muß ich auch bezüglich der „Mechanisierung der Welt“ wissen.)
Aber andrerseits stieß ich umgehend wieder auf das, was mich früher oft von diesem Thema abgeworfen hat. Quantenmechanik handelt von etlichen Phänomenen, für die wir keine Begriffe und keine Bilder haben, weil sie unser Denkvermögen völlig übersteigen.
Dabei wäre jede Klugscheißer-Pose nur störend. Sie würde mein Vergnügen daran mindern, daß ich – bildlich gesprochen – mit meinem gesamten Denkvermögen an einer Mauer stehe, hinter der ich ein Universum vermuten darf, von dem ich ausgeschlossen bleibe.
Das ist auch für meine künstlerische Arbeit eine sehr wichtige Erfahrung. Über diese Mauer hinauszuwollen und diese Grenze als anregend wahrzunehmen, das läßt mich in eine Zone kommen, in der Entwicklung möglich ist. Es ist die Zone, in der es um etwas geht, was noch nicht gedacht werden kann. Ich vermag mir keine Kunstpraxis von Relevanz vorzustellen, die ohne diesen Bereich auskommt.
Kaiser recherchiert derzeit zu einer These, wonach die Planksche Unschärferelation (und der Teilchen-Welle Dualismus) etwas mit dem Wechsel der fraktalen Ebenen „Physik“ und „Biologie“ zu tun hat. Das sagt mir sehr zu, weil die Mauer, wie ich sie oben zur Sprache brachte, ist bloß trennend was mein Denkvermögen angeht.
Eine metaphorische Mauer, während ich ja lebend/lebendig in dieser Physik zuhause bin, wobei dann auch meine Physis in ihrer sinnlich erfahrbaren Dimension bloß einen Teil der Geschichte ausmacht. Andere Teile dieses Leibes, in dem Leben stattfindet, sind mir nicht zugänglich, nicht begreiflich.
Kaiser schrieb mir ein Beispiel: „Von Uexküll gibt es die Geschichte, dass er gestolpert und fast gestürzt ist und darauf gesagt hat: ‚… es sei immer wieder erschreckend, aus der biologischen in die physikalische Gesetzlichkeit zu geraten‘. D.h. ist die Quantentheorie nicht der Einbruch der biologischen Gesetzlichkeit in die Physik (im Sinne einer Kybernetik zweiter Ordnung?).“
Sie ahnen gewiß, daß ich darüber noch eine Weile grübeln muß. Mir ist klar, daß man die radikalen Konstruktivisten und eine Kybernetik zweiter Ordnung nicht kennen muß. Auf der Seite des Publikums wäre es völlig legitim, solche Hintergründe völlig zu ignorieren und sich auf eine Rezeption zu beschränken, die rein sinnlicher Natur ist.
Aber auf der Seite der Arbeit an künstlerischen Werken und Prozessen würde mir das nicht genügen. Ich deponiere Ihnen hier noch eine sehr feine Kaiser’sche Überlegung: „Ist es nicht das Problem, das wir als Lebewesen mit Funktionskreisen die GLEICHZEITIG Sender und Empfänger sind (und die sich gleichzeitig stimulieren) (Mess-) Maschinen auslesen, die mit ihrem Regelkreis beides nur in ABFOLGE (Entweder/Oder) leisten können?“ Erwarten Sie darauf nun keine Antwort von mir, ich bin noch mit nachdenken beschäftigt!
+) Tesserakt