Gründonnerstag, also knapp vor dem Osterwochenende. Wir waren entlang der Raab Richtung Ungarn unterwegs.
Als wir Jennersdorf erreichten, schlug Fotograf Richard Mayr vor, bei Luigi Station zu machen. Das ist Luis Siegl, Frontman von „Teglich Alois“. Mayr rief ihn an, um zu erfragen, was er gerade mache. Siegl: „Ich warte, daß mir die Füße gewaschen werden.“ (Für gute Katholiken sollte die Pointe ansatzlos klar sein.)
Siegl ist von einer Art, da betritt man seine Räume und ist sofort in diese satte Erzählung eingebettet, die sich aus der Präsenz von Musik, Literatur und Malerei ergibt. Das sind keine Glaubensgegenstände, sondern Wirkungen dessen, was uns Menschen ausmacht.
Es erhebt uns nicht über andere Spezies, es macht einen Unterschied. Wenn drei Leute wie wir dann zu einigen Drinks beisammen sitzen, kommt diese Frage unausweichlich: „Was machst du gerade?“ (Das hat mit dem eher breiten Spektrum unserer Tätigkeiten zu tun.)
Ich brauchte ungefähr eine halbe Stunde, um das Neudau-Ding zu erklären. (Damit wäre die Aufmerksamkeitsspanne anderer Leute mehr als überlastet.) Siegl ist dagegen in einigen seiner Vorhaben mit der höchst möglichen Verknappung befaßt, wie sie sogar die Form des Haiku unterlaufen könnte.
Er demonstrierte das mit einer langen Version, von der ich ein kleines Videodokument mitgenommen hab. Siegl formuliert seine Miniaturen in einer Sprache, die er aus dem Alltag ableitet, aus umgangssprachlichen Elementen.
— [Der Videoclip] —
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Ich bin ein erfahrener Lyriker und kann daher sagen: Das ist schwieriger als mit jener Hochsprache zu arbeiten, die im Literaturbetrieb geformt wurde. Man kann dabei nämlich nicht auf jenen Kontext und Subtext setzen, der belesenen Menschen aus jahrelanger Lektüre vertraut ist, sondern muß den eigenen Zeilen mehr zutrauen, nämlich ins Ungewisse zu stürzen.
Hinzu kommt, daß in Siegl auch ein Musiker wütet. Das hat zwar in Rhythmus und Melodie Schnittstellen zur Literatur, ist aber ein völlig anderer Code. Ich bin davon überzeugt: Wer zweisprachig lebt, hat ein komplexeres Ausdrucksvermögen zur Verfügung. Literatur und Musik gleichermaßen zu pflegen, das ist Zweisprachigkeit.
Und wir? Mayr und ich sind dann weitergezogen, um uns das Kleinkraftwerk von Alsószölnök anzusehen. Eine exemplarische Geschichte, da ich mich gerade auch mit Mühlen befasse. Mühlen, Sägemühlen und E-Werke sind gleichermaßen auf Wasserkraft draufgesetzt und stehen für Maschinenbaukunst, deren Kontinuität Jahrtausende zurückreicht…
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