Rechtsruck im Kulturbetrieb #5: Wozu diese Kolumne?

Es gibt inzwischen hinter den Kulissen Reaktionen auf meine Rechtsruck-Glossen. Dabei ich die Frage, warum ich jene Kolumne eingeführt hab.

Ich staune ein wenig über diese Frage. Wie sollte ich mir denn eine offene Gesellschaft ohne öffentlichen Diskurs vorstellen?

Natürlich bin ich dabei auch gleich beim Thema „anschütten“. Das läßt sich doch leicht klären. Mein Hauptkriterium: Verkünden oder begründen?

Seriöse Kritik wird die kritikwürdigen Punkte nennen und konkrete Einwände vorbringen, gewöhnlich: Argumente zur Sache. Wer dagegen allgemeinen Unmut ausstreut und Argumente zur Person vorzieht, fällt für mich unter die Verkünder. Damit kann man sich im Grunde kaum befassen.

Seit Emile Zola sollten wir in Europa damit vertraut sein, daß zum Beispiel Schriftsteller sich in öffentliche Diskurse einbringen, sich zu Wirt melden. Offenbar ist diese Auffassung selbst beim Kulturvölkchen noch kein Allgemeingut. Ich will es daher gerne erläutern.

Die Kurzfassung
1) Ich bin Autor. 2) Sprechen ist Handeln, ergo das Verfassen von Texten ebenso. 3) Ich nehme am öffentlichen Leben und öffentlichen Diskurs teil; zum Beispiel indem ich Texte publiziere. Das entspricht dem Wesen der Demokratie.

Die ausführliche Begründung
Gesellschaftliche Realität wird nicht nur, aber sehr wesentlich durch Medienanwendung hergestellt. Das war schon lange vor den „Neuen Medien“ der Fall. Oder denken Sie etwa, der historische Faschismus hätte sich wie gehabt entwickeln können, ohne sich auf umfassenden Medieneinsatz, Message Control und Propaganda zu stützen? Niemals!

Damit sind vor allem zwei Dinge gesagt:
+) Gesellschaftliche Realität ist eine Konstruktion, ist ganz wesentlich das Ergebnis von Kommunikationsprozessen, zum Beispiel von Medienarbeit.
+) Eine Massengesellschaft ist ohne verbindende Narrative, die über Medieneinsatz angeboten werden, nicht formierbar.

Daraus ergibt sich das, was wir uns unter Öffentlichkeit und unter öffentlicher Meinung vorstellen. Freilich existiert „die Öffentlichkeit“ nicht, sondern sie ist ein Konzert von Teilöffentlichkeiten, die unterschiedliche Qualität haben. (Auch dabei spielen Medienanwendungen eine enorm prägende Rolle.)

Was der Fall ist
Nun sehen Sie sich im Raum Gleisdorf und in der Steiermark um. Immerhin heißt Demokratie unter anderem, daß möglichst viele Menschen am öffentlichen, am kulturellen und politischen Leben des Landes teilnehmen sollen. (Partizipation statt bloß Konsumation.)

Frage: Wann hatten wir zuletzt einen einigermaßen anhaltenden kulturpolitischen Diskurs in der Steiermark, der öffentlich rezipierbar war? (Mir fällt gerade gar nichts ein.) Welche Mittel und Möglichkeiten habe ich für Diskursbeiträge zum Beispiel im Vergleich zu einem Bürgermeister, Gemeinderat oder Landesrat?

Bleiben wir bei diesen Beispielen der Mandatsträger. Öffentliche Einrichtungen verfügen selbst über Websites und Printmedien, ferner über Personal, das Öffentlichkeitsarbeit macht, Social Media füttert etc.

Daher bekommen Funktionstragende auch bevorzugt Raum in regionalen und lokalen Medien, was sich teils in den Social Media widerspiegelt. Manche pflegen in der Funktionärswelt zusätzlich eigene Personal Websites mit regelmäßigen News. Sie und/oder ihr Team bespielen überdies parallel die Social Media.

So wirken Funktionstragende erheblich auf den öffentlichen Diskurs und auf die öffentliche Meinung ein, liefern wirksame Beiträge zur Gestaltung der gesellschaftlichen Realität. (Das gehört zum Geschäft.)

Was hab ich im Vergleich dazu an der Hand? Meine zwei Websites (kunst ost & vant.at) sowie Accounts bei Facebook und Instragram. Aus! Impact bei den regionalen Medien? Praktisch Null. Was muß man also da jetzt noch fragen, weshalb ich das mache, warum ich diese Glossen schreibe? Ich nutze geringe Mittel, um am öffentlichen Diskurs teilzunehmen.

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+) Foto: Martin Krusche by Richard Mayr

Postskriptum
Ich weiß freilich, was da und dort Unmut erzeugt, wenn sich jemand außerhalb der gängigen Hierarchien aus de Fenster hängt. Hierarchien. Unsere Leute waren über so viele Generationen hinweg Untertanen, da liegt uns das im Blut. Unmut wird nur von oben nach unter ausgeteilt, niemals umgekehrt. Kritik von unten nach oben? Das gibt Ärger. Wer sich sowas nicht traut, direkt und konkret nach oben Kritik zu üben, wird eventuell zur Seite hin auskeilen…

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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