Social Media wirken in wesentlichen Bereichen als eine umfassend angelegte Kritik-Simulation. Hau raus, was Dich kratzt!
Das bietet individuelle Spannungsabfuhr und läßt Unbehagen zu einem Berg von Watte gerinnen, der eine gut nutzbare Manövriermasse ergibt. Die Motzmaschine Facebook, die Trallala-Enzykopädie Instagram und eine ganze Reihe flippiger, flapsiger Bühnen, auf denen alte weiße Mämner wie ich gar nicht vorkommen.
Ich finde es gleichermaßen amüsant und ein wenig gruselig, wie sich ein Stück homogener Untertanenmasse formiert, die von Menschen gestaltet wird, welche sich für den Teil einer kritische Masse halten.
Innerhalb meiner kleinen Typologie des Personals unseres kulturellen Rechtsrucks verteilt sich das passabel auf verschiedene Leistungsgruppen. Zur Erinnerung: 1) Die Zierfische, 2) die zeitlose SA, 3) die nächste Bourgeoisie und 4) die Junker. [Die Typen im Detail]
Den Großteil der Motzmaschinen-Elemente stellen die Zierfische. Dazu muß man nicht einmal ideologisch klar positioniert sein. Es reicht ein völlig emotionales Vorgehen, um die Motzmaschine zu befeuern. Die zeitlose SA steuert dazu übliche Scharfmacher bei. Unter ihnen sehe ich Leute mit Sendungsbewußtsein und ideologischem Konzept ebenso wie Mitläufer, die es genießen, irgendwem was reinsemmeln zu können.
Das überschneidet sich stellenweise mit Kräften der nächstes Bourgeoisie, die hier vor allem Geschäftsinteressen verfolgt, also Kasse machen will, aber auch Zuwendungen in einigen anderen Währungen gerne entgegennehmen. (Das hab ich unter „Was der Fall ist #2“ eben erst am Beispiel eines Wirtes skizziert.)
Die „Junker-Klasse“ besucht nur gelegentlich Niederungen, um die Gefolgschaft durch öffentliches Lob für ihre Lehenstreue zu belohnen, dabei einige mit besonderen Lehen demonstrativ zu würdigen; und sei es bloß, daß ihm ein Lakai der Bewegung fürs Erinnerungsfoto kurz den Arm um die Schulter legen darf. (Für manche ist das wie ein Kuß von Beyoncé.)
Das Befeuern der Motzmaschine sorgt für verbales Gleitgel, damit es sich leichter nach rechts rutschen läßt. Es fördert den warmen Regen für wenige. Es treibt an manchen Stellen voran, was Fintan O’Toole in „The Irish Times“ die „Trial runs for fascism“ nannte, Testläufe des Faschismus‘. (Quelle)
Ich spreche bei all dem nie von „Verschwörungstheoretikern“ oder von „Schwurblern“. Wozu? Es sind ungenaue Zuschreibungen. Ich kann bei vielen der Quassel-Athleten keinerlei Theorie finden. Sie plappern so dahin, posten Links und Memes, verkünden die Botschaften anderer Leute, haben selbst kaum was zu sagen.
Fragt man nach, zeigt sich, daß sie von Zeitgeschichte und von der Kultur unseres Landes wenig bis keine Ahnung haben. Was sie politisch vorbringen, stammt offenbar aus dem Handbuch „Politik für Dummies“. Daß sie sonst noch lesen (BÜCHER LESEN!) wird durch gefälschte Kafka-Zitate, verfälschte Brecht-Zitate oder heimelige Dalai Lama-Zitate nicht gerade glaubhaft.
Und das Schwurbeln? Du meine Güte! Es ist ein Volkssport und kein Erkennungsmerkmal bestimmter Milieus. Wie viele erregte Kunstschaffende habe ich kennengelernt, teils Leute mit einem respektablen Bildungsweg, die schwurbeln voller Leidenschaft inkohärent vor sich hin, bauen schöne Sätzchen, die sich auf keinen relevanten Gehalt überprüfen lassen, um zu glänzen.
Wie oft hab ich erlebt, daß mir ein regionale Mandatsträger, versierter Politiker des Bezirks, was vorschwurbelt, weil er weiß, daß er sich keiner kritischen Debatte stellen muß. Welche Funktionstragenden, von denen die Arbeit anderer Leute in diversen Managements vermarktet wird. Schwurbeln in der Öffentlichkeit, daß sich die Balken biegen.
Nein, es geht einfacher. Was sagt jemand? Wie sagt er oder sie, was gesagt werden will? Text, Subtext, Kontext. Da weiß ich dann meist ganz flott, mit wem ich es zu tun hab. Ah ja, und Kritik. Ich werde als einen der nächsten Schritte noch eine Glosse zum Thema Kritik verfassen. (Rechtsruck im Kulturbetrieb #4: Kritik)
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