Es ist für mich völlig nachvollziehbar und erscheint mir legitim, daß Menschen ihre Trauer um Tote öffentlich ausdrücken.
Was ich an der Gleisdorfer Stadtpfarrkirche vorfinde, ist ein Dokument der Zeit. Es wäre verfehlt, das löschen zu wollen. Aber es bleibt festzustellen, daß die Headline „Unseren Helden“ wenigstens zweierlei besagt.
Erstens liegt darin ein tiefer Zynismus Herrschender. Die hier aufgelisteten Namen handeln nicht von „Helden“, sondern von Kanonenfutter zweier verbrecherischer Angriffskriege unserer Leute.
Daß sie den Opfern dieser sinnlosen Gräuel hinterher das Etikett „Held“ umhängen, ist nicht einmal der Hauch einer Entschädigung für diese Anmaßung.
Zweitens liegt darin dieser spezielle Kummer von Untertanen, wo sie es nicht wagen, ihre Herren wenigstens nach den Vorfällen zur Rede zu stellen.
Welcher Vater, welcher Sohn hat seiner Familie und dem Volk Österreichs einen Vorteil gebracht, indem er sein Leben verlor? Welche Vorteile sollen das gewesen sein? Was war der Gewinn unserer Soldaten durch solche Opfer? Und was genau soll das sein, ein „Held“?
Die Rückübertragung ist in der Geschichtsbetrachtung nicht zulässig. Daher habe ich zu akzeptieren, daß man vor mehr als einem halben Jahrhundert solcher Sprachregelung zugestimmt hat. Sie überliefert das Denken und offenbar auch Empfinden jener Tage. Das nehme ich zur Kenntnis. Somit ist dieses Ensemble an der Kirchenwand Quelle und Dokument.
(Die drei hochformatigen Bilder sind Teil der Episode XXVI im Zeit.Raum.)
Aber ich kenne keinen Beitrag im öffentlichen Diskurs und auch kein Dokument aus jüngerer Zeit, das dieses Monument als ein Denkmal der Schande markieren würde. Jener Zynismus aus vergangenen Tagen, verbunden mit der Gedankenlosigkeit der Gegenwart, tötet die „Helden“ gewissermaßen ein zweites Mal, erklärt sie faktisch zur vernachlässigbaren Größe.
Es stellt sie als Propagandamaterial zurecht. Noch dazu an der Wand dieser Kirche. Wie erwähnt, zwei Angriffskriege. Beide reich an Greueltaten, mit denen nicht bloß Europa verwüstet wurde.
Welcher Vater, welcher Sohn sollte aus eigenem Interesse hinausgezogen und gefallen sein? Was soll der Nutzen dieser Jahre gewesen sein? Was muß ich mir daher unter dem Begriff „Held“ vorstellen?
Ich meine, diese Fragen sind neu zu stellen, verlangen nach zeitgemäßen Antworten. Übrigens! Gehen Sie davon aus, daß ich kein Pazifist bin. Ich war Soldat der Republik und verstehe mich als Mann der Republik, was bedeutet: Es darf keine Herrschenden geben. Wer Regierungsgeschäfte anvertraut bekam, schuldet uns Antwort.
Zeit.Raum Gleisdorf
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