Ich bin mit dem Begriff Kriegerdenkmal aufgewachsen. Mein Geburtsjahr 1956 hatte mich in die Gemeinschaft etlicher vom Krieg schwer gezeichneter Menschen geworfen.
In späteren Jahren begriff ich, wie verräterisch dieses Wort Kriegerdenkmal ist. Schließlich hab ich mich bei meinen Erkundungen oft daran gestoßen, daß eine der üblichen Widmungen an Denkmälern „Unseren Helden“ lautet, wahlweise „Heldengedenken“.
Wir haben mit dem Wort Mahnmal hierzulande eine eigentümliche Geschichte. Die wurzelt in den historischen Ereignissen, die von meinen Leuten mitgestaltet wurden. Durch mein Interesse am Balkan konnte ich während der 2000er Jahre mit südslawischen Leuten Gespräche führen, wie sie mir als Kind mit meiner Verwandtschaft nicht möglich gewesen waren.
Es gibt ein konkretes Datum, an dem sich mein Nachdenken über diese Zusammenhänge markant zu ändern begann. Am Samstag, dem 12. Dezember 2009, fuhr ich mit Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov nach Wien, um fort die serbische Künstlerin Milica Tomic zu treffen. Aber zuvor noch…
Grundsätzliches
Der soldatische Mann als Held, das ist jenseits europäischer Mythologie hauptsächlich ein ideologisches Produkt, welches Herrschende forcieren. Das Rollenmodell eines Konzeptes, mit dem Menschen bewegt werden sollen, aufs Schlachtfeld zu gehen, was ja aus freien Stücken niemand tun würde, der halbwegs bei Verstand ist. In der menschlichen Natur ist das nicht vorgesehen. Es kommt aus unserer Kultur.
Woher ich das weiß? Mein Vater war einer. Ein „Held“. Eisernes Kreuz, Nahkampfspange, Goldenes Verwundetenabzeichen, Karriere-Ende in einem Bewährungsbataillon. Für seinen Körper hätte Doktor Frankenstein den Chirurgen in den Feldlazaretten voller Rührung gratuliert.
Es sind komplexe Verwicklungen, wegen derer mich dieses Motiv so viele Jahre beschäftigt hat. Es bekam in den Jahre 2008 bis 2010 einen besonderen Kontrast, als ich Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov einige Male über die Schultern sehen konnte, während sie dem Thema „Mahnmal“ nachging. Es gab damals im Serbokroatischen kein Wort dafür. „Denkmal/Spomenik“ ist allgemeinerer Art. „Memorijal“ kam mir für Denkmal damals nie unter.
„Spomen“ ist das Gedenken, Andenken, das Erinnern. „Spomendan“ ist folglich der Gedenktag, dessen prominenteste serbische Variante sicher der Vidovdan ist, dem Österreichs Geschichte eine besondere Bruchlinie verdankt. (Je nach Kalender der 15. Juni oder 28, Juni.)
Grupa Spomenik
Wie eingangs erwähnt, im Dezember 2009 saß ich in Wien Tomic und Peitler-Selakov an einem Tisch. Ich spielte dabei keine maßgebliche Rolle, konnte als Zaungast verfolgen, wie sich die Debatte der beiden Frauen entfaltete. In Serbisch, was bedeutet, daß ich nur abschnittweise auf Englisch einbezogen wurde.
Das was zugleich eine gute Einstimmung auf weiter Treffen solcher Art, vor allem vor Ort, da und dort auf dem Balkan, an einigen Orten des Schmerzes. So beispielsweise in Omarska, wo ein Bergwerksbetrieb besteht, auf dessen Gelände es ein Todeslager gab, in dem unter anderem systematisch gefoltert wurde („Weißes Haus“).
Wir begegneten Überlebenden jenes Lagers. Bei einem Plenargespräch, als ich englisch eine Frage vorbrachte, wurde ich freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, daß hier nur Serbokroatisch gesprochen werde, was bedeutete, man wollte sich damals mit meinen Fragen, den Fragen des Außenstehenden, nicht befassen. Nein, ich war selbstverständlich nicht ungehalten. Ich lernte Lektionen, wie Erinnern sich unter solchen Vorbedingungen nur mühsam entfaltet.
Milica Tomic ist eine der wesentlichen Exponentinnen der „Grupa Spomenik“, wo es im Oktober 2009 hieß: „Grupa Spomenik, a New Yugoslav art/theory group believes that the genocide is fully speakable, but that politics and critique of ideology are the only proper languages in which it can be spoken.“ (Quelle)
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