Die Abläufe sind simpel, gut überschaubar und ohne Rätsel, denn unsere Leute haben das mehrfach durchlaufen.
Die Kurzfassung: Menschenverachtung führt zu Kriegen der Worte. In den Kriegen der Worte werden einige unserer Mitmenschen erst zu Gegenmenschen erklärt und schließlich als Nichtmenschen markiert. Dann kann das Töten beginnen.
Dieser soziokulturelle Prozeß (Krieg der Worte) spielt eine bedeutende Rolle, weil die meisten Menschen von hausaus nicht geneigt sind, andere schwer zu verletzen, zu mißhandeln, sie umzubringen. Selbst die Soldaten regulärer Armeen haben einen hohen Anteil derer, die das Schießen vermeiden oder danebenschießen.
Um Leben zu nehmen, braucht es brutalisierte Leute, möglichst auch trainierte Leute. Das hat in modernen Nationalstaaten unübersehbare Vorgeschichten; eben die erwähnten kulturellen Prozesse.
Das bedeutet unausweichlich, wenn wir in Friedenszeiten öffentliche Diskurse dulden, in denen Menschenverachrung Platz hat, in denen Andersdenkende herabgewürdigt und beschimpft werden dürfen, dann ist das die erste Übung, um das Grauen vorzubereiten.
Der Krieg der Worte hat außerdem Geschwister. Das Schweigen. Das Schönreden. Das Ablenken. Solche Konsorten sind das und ich finde sie überall; von der Zivilgesellschaft bis hinein zu Politik und Verwaltung.
Es ist wie es ist
Ich stelle all das vollkommen unaufgeregt fest, denn ich kenne etliche Spielarten dieser Vorgänge aus eigener Erfahrung und weiß daher um diese erbärmliche Kumpanei derer die wegschauen, die sich abwenden, die etwas schönreden, falls man sie zur Rede stellt.
Ich traue Appellen in der Sachen annähernd nichts zu. Ich traue nicht einmal jenen, die sich demonstrativ auf die Seite der Menschenwürde stellen, indem sie deren Bedeutung laut beteuern. Unterm Strich zählt vor allem, daß man sich der Menschenverachtung öffentlich in den Weg stellt und jenen in den Arm fällt, die mit Worten oder Fäusten zuschlagen.
Wir leben ein Erbe des historischen Faschismus, in dem wir einerseits innerfamiliäre Gewalt, andrerseits öffentliche Gewalt durch Sprache bis heute nicht ausreichend geächtet und verläßlich gebannt haben. Daran gibt es nichts zu deuten, die Faktenlage ist erdrückend.
Um ein Mahnmal herumzustehen und betroffen dreinzuschauen, das bedeutet in meinen Augen wenig bis gar nichts, wenn sonst vor allem geschwiegen wird. Ich zeige hier die Statue eines südslawischen Partisanen. Er zählte im Zweiten Weltkrieg zu jenen Leuten, die beitrugen, den Nazi-Faschismus militärisch zu schlagen.
Aber die Pose dieser Statur ist beliebig übertragbar. Sie würde ebenso mit einem Landser aus dem Großen Krieg oder mit einem Haudegen aus einer beliebigen SS-Division funktionieren. Machen wir uns nichts vor! Derlei Waffengänge sind eine Anomalie der Menschenart und mit genau diesen Posen ein Kernmotiv der vorherrschenden Männerkultur.
Wir werden an unseren Denkmälern noch einige Arbeit haben, denn was wir heute als Mahnmal kennen, ist in solcher Bedeutung offenbar vor dem Großen Krieg nicht bekannt gewesen. Der Begriff taucht wahrscheinlich erst in den 1920er Jahren auf, als die „Hakenkreuzler“ an ihren „Marsch auf die Feldherrnhalle“ zu erinnern beliebten, welcher in der Privatmythologie der Faschisten ein „Gründungsereignis“ ist.
Postskriptum
Heute ist Donnerstag, der 20. April 2023, für einige meiner Landsleute „Führers Geburtstag“. Siehe dazu auch: „Rechtsruck„!
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