Eine Betrachtung am Beispiel der Schalk-Mühle (Kalsdorf) an der Feistritz. Die Anfänge? Für Steinzeitmenschen. Jäger und Sammler, waren Nüsse eine wichtige Nahrungsquelle.
Haben Sie je versucht, eine Nuß mit einem Stein aufzuschlagen, ohne aus Schale und Kern einen Trümmerbrei zu fabrizieren? Dem gegenüber ist der Nußknacker (Hebel und Angelpunkt) eine raffinierte technische Lösung. In dieser Geschichte wäre beispielsweise die Speerschleuder eine der nächsten Erfindungen, um die menschliche (Wurf-) Kraft über angewandte Physik zu optimieren. (Genau! Hebel und Angelpunkt.)
Das Neolithikum und die Seßhaftwerdung der Menschen sowie die Entwicklung von Ackerbau forderten menschlichen Einfallsreichtum in andere Richtungen. Vom Ritzstock zum Pflug und zur Domestizierung geeigneter Zugtiere mußte allerhand erdacht werden.
Getreide war für Bier und Brot gut; vermutlich in dieser Reihenfolge. Von Körnern Mehl zu gewinnen ist ein völlig anderer Job als das Nüsseknacken. Diverse Reibsteinvarianten dürften den Weg zur Handmühle gewiesen haben. Auf dem Bodenstein wird der Läufer bewegt, sei es mit einem Zapfen, sei es mit einem Schwingstab. (Das brauchte einige tausend Jahre.)
Ich nehme an, daß Mörser schon wegen des menschlichen Verlangens nach Nüssen und Kräutern erdacht worden waren. Als Kind hab ich in Wochenschauen afrikanische Frauen beim Stampfen von Hirse gesehen, Mechanisierte Stampfmühlen kann man in der Oststeiermark in so mancher Sammlung finden. Die körperlichen Mühen lassen sich eben mindern, wenn man Kraftquellen und technische Lösungen kombinieren kann.
Der Mühlstein schaffte es übrigens auch in die Bibel. Bei Matthäus 18,6 heißt es: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde.“ Das bezog sich auf den Schutz von Kindern. (Es kursieren verschiedene Übersetzungen.)
Neue Kraftquellen
Die Ablöse der Kombination Bodenstein und Läuferstein durch den modernen Walzenstuhl ist ein eher junges Ereignis. Das wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umgesetzt. Eine Ära, in der die Erste Industrielle Revolution blühte, Dampfmaschinen zu ortsunabhängigen Kraftquellen wurden und die Elektrizität sich durchzusetzen begann.
Stichwort Kraftquelle. Bevor also Dampfmaschinen und Stromgeneratoren die Arbeitswelt veränderten, waren Menschen, Tiere, das Wasser und in manchen Teilen Europas der Wind die Antriebskräfte für diverse Kombinationen von Achsen und Rädern, für zunehmend raffiniertere Getriebe.
Das Wasserrad ist naturgemäß strikt ortsgebunden. Der Göpel, in den Mensch oder Tier eingespannt werden, kann allerdings mobil ausgelegt werden. Dampfmaschine und Stromgenerator mochten schließlich – je nach Bedarf – stationär oder mobil sein.
Der elektrische Strom läßt sich dann mit Leitungen über beliebige Raumsituationen an Geräte heranbringen. Wäre noch die Turbine zu erwähnen, wie sie mit Wasser oder auch Dampf betrieben werden kann, um Generatoren anzutreiben, die Strom für vielfältige maschinelle Ausstattungen liefern.
Vieles davon kann am Beispiel der Mühlen, wie sie über Jahrtausende entwickelt wurden, anschaulich gemacht werden. Dazu paßt, daß in der Abfolge oft auch Sägewerke und Elektrizitätswerke dort entstanden, wo es schon Mühlen gab.
Kraftquelle, Getriebe, Maschine. Hebel und Angelpunkt habe ich schon erwähnt. Was sind zwei verschiedene große Zahnräder anderes als zwei Kränze von Hebeln? Auch breite Räderpaare, auf die Transmissionsriemen gelegt werden können, repräsentieren dieses physikalische Gesetz.
Der Hebel ist ein Kraftwandler. Zahnräder und Riemenscheiben wirken ebenso, sobald die Verbindung klappt. Wenn Sie sich in einer historischen Mühle umsehen, finden Sie unzählige Beispiele dafür.
Wir wissen, nicht, ob die Anregung für die Grundlagen, die Rad-Achse-Kombination, von den Töpferscheiben kam oder andere Inspirationsquellen hatte. Diese Erfindung umgibt uns alltäglich, wo Mechanik wirkt.
Die Maschinenbaukunst ist in unserer Kultur historisch eng mit der Geschichte der Mühlen verknüpft. Es gab zwar in der Antike auch schon Feinmechanik, das belegt der Mechanismus von Antikythera, aber es kam damals noch nicht zu einer industriellen Revolution.
Von Mühlen umgeben
Unsere Leute waren von einer hohen Dichte von Mühlen umgeben. Viele Gassen- und Ortsbezeichnungen erinnern heute noch daran. Solche Betriebe waren manchmal Brennpunkte technischer Entwicklungen, immer aber Treffpunkte und Schnittstellen von Kommunikation, Umschlagplätze für Informationen.
Im oststeirischen Kalsdorf zeigt mir Rainer Schalk in der Mühle seiner Familie jenen Raum, der heute als Verkaufsraum genutzt wird, in seinen Kindertagen aber noch ein Platz war, an dem wartende Kunden Getränke oder auch eine Jause angeboten bekamen, während sich ihr Getreide in Arbeit befand.
Ein Zwischenschritt zu heutigen Geschäftspraktiken war, so Schalk, der Umtausch. „Jemand bringt zum Beispiel Getreide im Wert von 1.000,- Euro und erhält anschließend Mehl im Wert von 800,- Euro. Die 200,- Euro sind die Spanne des Müllers gewesen.“ Nach unserem ausführlichen Gespräch meinte ich, daß meine aktuelle Vorstellung von dieser Branche völlig unrealistisch gewesen sei. Schalk lächelte: „Das geht jedem so.“
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