Zu meinen Logbuch-Notizen unter dem Titel „Der hybride Krieg“ ermahnte mich RT Moreau, eine Position nicht zu ignoriren, bloß weil sie mir selbst unzugänglich erscheint.
Das ist natürlich ein wichtiger Hinweis. Für mich ist etwa der Standpunkt radikaler Pazifisten nicht einehmbar. Das mindert aber keinesfalls sein Gewicht. Antwortvielfalt bleibt unverzichtbar und ein bestimmtes Denken kann nicht dadurch entkräftet werden, daß man ihm zum Beispiel einen Grundlagencharakter nachweist, der sich (vorerst) in keine Praxis übertragen läßt.
RT Moreau hat es ohnehin moderater foruliert. Zitat: „Obwohl ich ihr skeptisch gegenüberstehe, bin ich nicht gegen die Initiative von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht. Was sonst als eine solche nach allgemeiner Lesart unrealistische, extrem-pazifistische Gegenposition könnte uns dazu bringen, solche Fragen überhaupt in einem größeren Kontext zu diskutieren? Dass das zu wenig geschieht, ist nicht Schwarzer und Wagenknecht anzulasten, sondern der Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit der Mehrheit ihrer Kritiker.“
Ein derartiger Kontrast kann sich übrigens auch ohne weiteres in einem völllig ideologiefreien Raum zeigen. Zum Beispiel zwischen mir und meinem Sohn. Ich habe derlei Fragen nie mit ihm debattiert. Er entschied sich für den Zivildienst, bewährte sich in der Sozialarbeit. Es gibt keinen Hinweis, daß er geneigt wäre, sich mit dem Schießen zu befassen.
Ich war Funker und Artillerist, zum Richtkanonier ausgebildet, davor natürlich an den üblichen Infanteriewaffen trainiert. Das mag illustrieren, wie unterschiedlich die Auffassungen für Beiträge zum Gemeinwesen sich manifestieren können.
RT Moreau tat hier im Grunde nichts anderes, als das zu betonen, was Schiller in „Don Carlos“ den Ritter Marquis Posa seinem Fürsten zurufen läßt: „Ein Federzug von dieser Hand, und neu erschaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit!“
Es gibt eben oft zeitgleich Grundlagenarbeit und praktisch anwendbare Formen. Was den russischen Überfall auf die Ukraine angeht, hab ich zu Schwarzer und Wegenknecht notiert, daß man mir ja nicht sagen muß, die Waffen mögen schweigen und es solle verhandelt werden. Aber was konkret möge von wem mit wem verhandelt werden? Das erfuhr ich von den beiden bis heute nicht, sehr wohl aber aus Peking.
In der „Zeit“ war am 24.2.2023 von Chinas Zwölfpunkteplan für den Frieden die Rede. Da heißt es: „China hat versucht, sich in dem Konflikt als neutral darzustellen, ist Russland aber zugleich in enger Partnerschaft verbunden und hat es vermieden, die Invasion zu kritisieren oder diese auch nur mit diesem Begriff zu benennen.“ (Quelle)
Ich meine, man kann einige der Punkte durchaus als chinesische Kritik an Rußland lesen. Außerdem gehe ich davon aus, daß Putin die Stimme von Xi Jinping nicht ignorieren wird.
Die „Zeit“ wußte auch zu berichten: „Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Donnerstag, er würde den von China angekündigten Friedensplan für sein Land gern mit Vertretern der Regierung in Peking erörtern.“ Hier anschließend die Headlines der Vorschläge. Das komplette chinesische Papier ist von „Pressenza“ am 26.2.2023 in deutscher Sprache publiziert worden: „Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ (Quelle)
Die Headlines
+) Kalte-Krieg-Mentalität aufgeben: Sicherheit eines Landes solle nicht angestrebt werden auf Kosten anderer.
+) Feindseligkeiten einstellen: Alle Parteien sollen „rational bleiben und Zurückhaltung üben“ und nicht den Konflikt befeuern.
+) Wiederaufnahme von Friedensgesprächen: Dialog und Verhandlungen seien die einzige gangbare Lösung für die Ukraine-Krise.
+) Die humanitäre Krise lösen: Alle Maßnahmen, die zur Linderung der humanitären Krise beitrügen, „müssen ermutigt und unterstützt werden“.
+) Zivilisten und Kriegsgefangene schützen: Alle Parteien im Konflikt sollten sich an das internationale Recht halten und Angriffe auf Zivilisten vermeiden, ebenso wie auf zivile Infrastruktur.
+) Atomkraftwerke sichern: China lehne bewaffnete Angriffe gegen AKW ab.
+) Strategische Risiken reduzieren: Nuklearwaffen dürften nicht eingesetzt werden und Atomkriege dürften nicht gekämpft werden.
+) Getreideexporte erleichtern: Alle Parteien sollten das Schwarzmeer-Abkommen umsetzen.
+) Stopp der einseitigen Sanktionen: Einseitige Sanktionen und maximaler Druck könnten das Problem nicht lösen, diese erzeugten nur neue Probleme.
+) Lieferketten stabilisieren: Alle Parteien sollten das existierende Welthandelssystem bewahren und die Weltwirtschaft nicht als Waffe für politische Zwecke einsetzen.
+) Wiederaufbaupläne: Die internationale Gemeinschaft solle Maßnahmen ergreifen, um nach dem Konflikt in den betroffenen Zonen Wiederaufbau zu leisten.