D:Demo #60, Nationalismus IV

Unsere Nation? Unsere Heimat? Wer meint, hier käme aus „langer Dauer“ irgendeine Legitimation, liegt völlig schief.

Unsere Monarchen haben unter „Nation“ was völlig anderes verstanden. Die Austrofaschisten kamen konzeptionell nicht vom Fleck und als Mark eines Reiches, nämlich dessen Ostmark, war Österreich keine Nation.

Wir müßten eigentlich gerade jetzt wieder aktuell klären, was uns die Republik bedeutet und was sie uns wert ist. Das klärt man allerdings nicht, indem man Regierungsmitglieder und Andersdenkende sowieso beschimpft. (Selbstdefinition durch Feindmarkierung hat einen Erkenntniswert nahe Null.)

Meine Leute haben politisch und gesellschaftlich einen Schnelldurchlauf hingelegt. Ich mache es gerne auf die Art deutlich: mein Großvater Richard war ein Soldat des Kaisers, mein Vater Hubert ein Soldat des Diktators und ich ein Soldat der Republik. Drei Männer, die in der Zweiten Republik ein gemeinsames Zeitfenster bewohnt haben. Hat einige Mühe bereitet, dabei zu klären, was man unter Demokratie versteht.

In der Zwischenzeit hat man sich österreichweit die Zeit auch noch mit dem bewährten Antisemitismus vertrieben, mit einigen Portiönchen Neonazismus und mit allerhand Mischformen, die ich als „vaterländische Potpourris“ deute.

Wer aktuell mit dem Begriff Heimat hausiert, kennt seine eigene Geschichte nicht. Heimat, auch: das „Hoamatl“, war eben noch das Haus der eigenen Herkunft, bestenfalls ein Dorf, aber eigentlich bloß die Hütte des persönlichen Ursprungs. Man fragte hier auch nicht „Wie heißt du?“ Es heißt bis heute mancherorts: „Wem g’hörst du?“ oder: „Wo g’hörst du zu?“

Heimat, das war keinesfalls ein Land, womöglich eine Nation. Solche Deutungen sind junge Ideologie-Produkte. Wer sich heute als „stolz ein Steirer zu sein“ empfindet, muß mir erst einmal ältere Quellen vorlegen, die solchen „Stolz“ belegen. Ich meine, die sind schwer bis gar nicht zu finden. Seit etwas mehr als tausend Jahren ist auf jeden Fall das Wort „heimôti“ belegt, das „heymöti“ ausgesprochen wurde. Es bezeichnete ein Wohnrecht mit Schlafstelle im Haus.

Untertan neu: Der Urenkel von Untertanen schätzt „Gottesgnadentum“.

Freilich ist mir solches Geträller bekannt: „I bin a Steirabua / und hab a Kernnatur, / i mach ja g’wiß koa Schand / mei’m schönen Steiraland“. Der Zuschreibung „Volksweise“ traue ich keine fünf Minuten lang. Den Taglöhner, Kleinhäusler oder Knecht möchte ich sehen, der solchem Schmus aus Vergnügen und ohne vorgehaltene Pistole gesungen hat. (Authentische Volkslieder aus dem alpinen Raum klingen meines Wissens nach niemals so gestelzt.)

Verschiedene Quellen besagen, das Lied sei unbekannten Ursprungs, es ist aber etwa ab 1900 an einigen Stellen dokumentiert. Ich hab anfangs erwähnt, mir seien vor den 1890er Jahren in Österreich keine nennenswerten ethnischen Diskurse bekannt. Das paßt also in mein Fenster. (Wie auch beim Begriff Heimat wird da sehr viel junge Ideologie mitgeschickt.)

War 1848 die Erbuntertänigkeit gefallen und waren die Untertanen etwas freier als vorher in die Welt entlassen, mußten sie also ideologisch gleich wieder gefesselt werden; an die Scholle, die Herrschaft, bald an die Nation.

Die Zwecke sind durchsichtig. Krieg zu führen ist sehr teuer, wenn man Söldner, Landsknechte, Kriegshandwerker bezahlen muß. Das Geschäft, andere anzugreifen, wurde in Österreich-Ungarn ab dem 6. Juni 1886 einen Hauch billiger. Ein Gesetz regelte den “Landsturm”, der Kaiser konnte nun wehrfähige Untertanen aufs Schlachtfeld schicken.

Weshalb sollten aber Untertanen aus freien Stücken Leib und Leben riskieren, bloß um dann allenfalls einem anderen Herren zu dienen, dessen Herrschaft einem das Leben auch nicht süßer machen würde? Das braucht Abstraktion. Ideologie. Propaganda. Man geht also nicht bloß für den Fürsten auf die Schlachtbank, sondern zum Beispiel auch für die “Heilige deutsche Heimat”.

Es folgten Verdun, Auschwitz und Srebrenica, neuerdings auch Mariupol. Irgendwo ist offenbar immer wer bereit, das “Hoamatl” für heilig zu erklären und dafür Menchen auf die Schlachtbank zu legen.

+) Diskurs: Demokratie

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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