Wie in der vorangegangenen Folge notiert: Die Verlockung, bei Problemen auf eine menschenverachtende Variante des Nationalismus zurückzugreifen, ist stets lebendig und für manche unwiderstehlich.
Deren Posen und Gehampel kenne ich gut. Sie betonen dann gerne: „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ und ähnlichen Schmus. Der Heimatbegriff bleibt dabei komplett unscharf, wie wenn ein Tagelöhner aus dem hintersten Graben über die Welt nachdenkt. Mich beeindruckt das nicht. Ich bin mit alten Faschisten aufgewachsen. Das waren die Originale, nicht diesen aufgeplusterten Nachgeborenen.
Da gab es keinen Schmus, sondern klarere Positionen. Das lief in Herrenmenschen-Manier. Putin hat mich neuerdings daran erinnert, wie das geht: diese klare, unerbittliche Position eines Conquistadors. Die Anmaßung, sich anderen überlegen zu fühlen. Die Privatmythologie, mit der außenpolitisch Opfer zu Tätern erklärt werden, während innenpolitisch eine mörderische Operette läuft.
Wer dann auch noch hinreichend über Machtmittel, Geld und Waffen verfügt, um seine Optionen sehr weit zu voranzutreiben, erschüttert bei entsprechender Laune die Welt. Natürlich argumentiert Putin antiquiert nationalistisch, hat so eine imperiale Attitüde im Repertoire. (Ich bleib beim Begriff „ nationalistisch“, weil mir bei den Themen Imperium und Hegemonie zu viele Leute aus der Debatte abspringen.)
Ich hab es an anderer Stelle mehrfach betont: Zu viele von uns haben der Neuen Rechten in Europa nun gut 40 Jahre Vorsprung gelassen, sich politisch und kulturell neu aufzustellen. Davon haben russische Neofaschisten wie Dugin profitiert. Putin braucht das für sich nicht. Ich denke, er braucht ideologisch überhaupt nichts, um die eigene Seele zu stärken, dafür hat er alles Nötige aus eigener Kraft.
Aber für seine Propagandaabteilung ist es ein Geschenk. Um das westliche Europa in seinen politischen Formationen aufzumischen, ist es unbezahlbar. Und ich erinnere mich gut an Leute auf Gleisdorfs Straßen, die diesen Mann beeindruckend bis erregend fanden. Da gibt es eine Ebene, auf der er unser neuer „Papalagi“ ist. Wie einst ein frei erfundener Südseehäuptling als Werkzeug der Zivilisationskritik sehr populär wurde, so ist es heute ein echter Diktator mit dem gleichen Nutzen: Zivilisationskritik am Westen und Heilsversprechen.
Nation Building
Aber ich sollte unsere Erfahrungen mit der Nationswerdung noch knapp zusammenfassen. Das multiethnische Imperium der Habsburger war etwas ganz anderes als eine Nation im heutigen Sinn. Der Ständestaat mit seiner faschistischen Disposition, die Erste Republik, ebenso. Die ins „Reich“ heimgeholte „Ostmark“ mußte dann eben als Mark des Dritten Reiches fungieren, war keine Nation. (Dieser dritte Platz bezog sich a) auf das Imperium Romanum und b) auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.)
Aber dann! Zweite Republik. Immerhin noch der Rahmen für eine Reihe ethnischer Konflikte. Am 17. Juli 1989 erging ein österreichisches Beitrittsansuchen an die Europäischen Gemeinschaften, der sogenannte „Brief nach Brüssel“. Am 28. Juli 1989 stimmte der Rat dem Beitrittsverfahren mit Österreich zu. Der 9. November 1989 gilt als wichtige europäische Markierung, wir sprechen vom Fall des Eisernen Vorhangs. Einige Jahre danach, am 1. Jänner 1995, wurde Österreich formell Mitglied der Europäischen Union (EU).
Die EU-Mitgliedschaft hat uns unter anderem eine Serie von nächsten nationalistischen Diskursen eingebracht, deren Ende nicht abzusehen ist. Das Spannungsverhältnis zwischen der Eigenstaatlichkeit und der Staatengemeinschaft in Europa ist dabei auch Anlaß für völlig abstruse Polemiken.
So überraschte neben der Kärntner FPÖ-Jugend kürzlich der Politiker Erwin Angerer im Einsatz für die Landtagswahlen im März 2023 mit der völlig aus der Luft gegriffenen Forderung „Keine weitere Slowenisierung unseres Heimatlandes“. Ein nächster Beleg dafür, daß der Nationalismus ganz ohne Faktenlagen auskommt, einfach Stimmung sein will; Gefühl…