Ich hab während der Gleisdorfer Unruhe interessante Leute und bemerkenswerte Statements kennengelernt.
Etliches davon ist ein mit Privatmythologien unterfütterter Nationalismus, durch dem so ganz nebenbei auch Wladimir Putin bestätigt wird, ein vorzüglicher Staatsmann und guter Vater seiner Nation zu sein.
Der Überfall Rußlands auf die Ukraine wurde unter anderem damit begründet, daß „der Westen“ angeblich pädophilen Kräften erlaubt, nicht nur Homosexualität zu feiern, sondern auch den Untergang der russischen Ethnie zu planen, wozu beitragen soll, daß man die Wiedererrichtung des Nationalsozialismus in der Ukraine unterstütze.
Da nun Rußland sich gegen die ukrainischen Angriffe zur Wehr setzen müsse, bemühe sich der dekadente Westen, aus dem regionalen Konflikt eine internationale Konfrontation mit Rußland abzuleiten. (Siehe zu den „ukrainischen Angriffen“ meinen Logbucheintrag vom 6. März 2023!)
Nein, ich bin nicht betrunken und ich bin völlig bei Trost. Diese kleine Skizze besteht aus Elementen offizieller russischer Nachrichten und Reden Putins.
Wie man es auch dreht und wendet, unterm Strich kommt heraus, daß Putin die Ukraine als eigenständigen Staat für Unsinn hält, denn das sei russisches Territorium. Konsequent erklärt er auch die ukrainische Ethnie, deren Sprache und Kultur, zum Hirngespinst. Alles bloß schlecht getaufte Russen, möchte man meinen.
So geht nationalistischer Diskurs, der mit rassistischen Tönen verschärft wird. Seit wann kennen wir sowas Österreich? Es gibt die Nation in unserem heutigen Sinn ja noch nicht sehr lange. Daher sind rassistisch gefärbte Streitgespräche dieser Art jung.
Ich kenne dafür keine älteren Beispiele als jene aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Mir ist nicht bekannt, daß es davor zu rassistisch geprägten, nationalistisch betonten Konfrontationen gekommen wäre; ausgenommen die lange Tradition von Judenhatz und Pogromen, wie sie mindestens mit den Umbrüchen in Andalusien und mit dem ersten Kreuzzug eine gängige Praxis wurden. Das ist ein vergleichbares Beispiel angewandter Menschenverachtung mit entsprechender Breitenwirkung.
Bei unseren Leuten haben sich – neben dem Antisemitismus – vor allem antislawische Ressentiments bewährt. Ethnisch betrachtet: Österreich war in den über 600 Jahren habsburgischer Herrschaft ein multiethnisches Imperium und – nach Rußland – der zweitgrößte slawische Staat der Welt. Noch 1914 adressierte Kaiser Franz Josef seine Kriegserklärung ausdrücklich „An meine Völker!“, als an verschiedene Ethnien. (Übrigens ähnlich hanebüchen begründet, wie Putins Kriegserklärung.)
Was auch immer vor der damaligen Jahrhundertwende in kleineren Zirkeln Thema gewesen sein, mag, meines Wissens ist die „Badeni-Krise“ (1897) der erste große ethnisch begründete Konflikt im habsburgischen Österreich. Der fand in einem Zeitfenster statt, in dem meine Großeltern schon live dabei waren. Leute, die ich noch persönlich gekannt haben. Das sind also Ereignisse mit einer mentalitätsgeschichtlichen und ideologischen Wirkung, die in mein Leben hereingereicht hat.
Mit der militärischen Niederlage im Jahr 1918 kam das Thema Nationalismus samt seinen ethnisch-rassistischen Beimengungen nie mehr zur Ruhe. Und die Judenhatz hatte man als bewährte Praxis stets mitgenommen. (Fortsetzung folgt!)