Ich fand eben eine Nachricht, daß der Grazer Künstler Gerhard Raab eine Krankheit nicht überlebt hat. Wir hatten uns in der Schule kennengelernt. Da sind wir vermutlich etwa 14 Jahre alt gewesen. Raab hatte zu der Zeit als Zeichner und Maler schon ein auffallend hohes Niveau. Ein Leben in der Kunst. Das muß ihm vorgeschwebt haben. (Ich erinnere mich, daß er einige Bücher mit den Lebensgeschichten von Künstlern wie Van Gogh und Picasso gelesen hat.)
Der Bleistift in seiner Hand ergab eine annähernd unverwechselbare Fingerstellung. Die Art, wie er außerdem unterm Zeichnen den Kopf leicht neigte, ließ mich annehmen, daß er bei solchem Tun in einen speziellen Flow kam. Ich war davon überzeugt, daß er in der Kunst reüssieren und ein eigenwilliges Leben führen werde. Es kam offenbar etwas anders.
Wir verloren uns nach einigen Jahren aus den Augen. Davor gab es in unserer damaligen Freundschaft noch gemeinsame Momente bezüglich einer geteilten Leidenschaft. Raab mit seinem Straßenhobel (Jawa 350), ich mit meinem Gatschhupfer (Honda XL 350). Spritztouren und weitere Ausflüge auf den Eisen, zum Beispiel nach Istrien. Zelt und Schlafsack dabei, Neugier und Wissensdurst. Es waren die 1970er und nichts ein Problem, das uns beeindruckt hätte.
Es ging freilich auch um künstlerische Techniken und Ausdrucksmittel, um verschiedene Möglichkeiten, etwas zu erzählen, zu zeigen. Ich war dann zum Beispiel – weil gerade anwesend – das Sujet, als Raab seine erste Lithographie versuchte. Davon ist mir speziell erinnerlich, wie die Steinplatte vorbereitet werden mußte. Daß nämlich ein Scheuermittel aufgebracht und eine zweite Steinplatte, gleichermaßen wuchtig, auf der ersten mit beiden Händen gedreht wurde. Ein sehr physisches Tun, dem dann folgte, daß mit äußerst leichter Hand das Motiv aufgetragen wurde. (Eine magische Praxis!)
Wie Gerhard Raab schließlich auch den Weg in die Bildhauerei ging, hab ich selbst nicht miterlebt, nur über Kolportage erfahren. Das alles hat also kürzlich geendet. Es gibt einen Aspekt an derlei Nachrichten und Situationen, den ich inzwischen mag. Da stellt sich ein ruhiges Gefühl ein, in dem die Frage mitschwingt: „Wie viele Sommer habe ich noch?“ Die großen Gesten sind gesetzt und komplette Biographien haben sich schon ereignet. Was bleibt, sind Spielräume.