(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Wie gerne ich mich im Kulturgeschehen unter primären Kräften aufhalte, an denen ich in ihrer Zuwendung zur Kunst etwas Obsessives sehe. Ich war gestern Teil einer kulturpolitischen Regionalkonferenz in Weiz, es ging um die „Kulturstrategie 2030“. Auf dem Foto sieht man Wolfgang Neffe, einen frühen Akteur und Wegbereiter des regionalen Kulturgeschehens, neben ihm die Künstlerinnen Carolina Sales Teixeira und Monika Lafer.
Das saßen wir mitten in einer Art oststeirischem Szene-Treffen, in das so ungefähr vier Generationen von Menschen eingebunden waren. Ich war zu einem Panel mit dem Thema „Bereichs- und ressortübergreifendes Arbeiten“ (Thementisch 3) eingeladen. (Siehe dazu die Glosse #73!) Sowohl der unmittelbare Vorlauf, als auch diese Session selbst, bringen mich eher zum verstummen.
Es muß an mir liegen, daß ich mich in wesentlichen Punkten nicht verständlich machen kann, was ja eine zwingende Voraussetzung für mögliche Zustimmung wäre. Als ich nach einigen Stunden in die Zugsgarnitur vor der Weizer Musikschule stieg, hatte sich das Gefühl verdichtet: Indem ich zu Hause blieb, bin ich in die Fremde geraten.
Metaphorisch gesehen: es dürfte zu einem Bruch großer Platten und folglich einer Kontinentaldrift gekommen sein. So landete ich fast unmerklich auf einen anderen Kontinent und meine Codes wie meine Begriffe sind kaum noch mit dem kompatibel, was derzeit vorherrscht.
Gut, das wäre für sich kein Problem, denn es würde bloß bedeuten, daß mein Part in solchen Sessions unter anderem von einer Art Kulturschock handelt, den ich einfach wegstecken sollte. Ich denke, das werde ich auch tun.
Es war bemerkenswert, daß ich auf dem Weg zu dieser Konferenz von einigen Seiten erhebliche Einwände gehört hab, was meine Ansichten und meine Haltung betrifft. Bemerkenswert, weil der Anteil von Argumenten zu meiner Person (mein Verhalten) sehr hoch ausfiel, geschätzt etwa halb-halb im Verhältnis die Argumente zur Sache.
Sowas gilt in Debatten, vor allem in Kontroversen, eigentlich seit der Antike als Alarmzeichen, wenn nämlich die Argumente zur Sache von den Argumenten zur Person überholt werden. Eine Schlüsselszene bezüglich meiner Kritik am Modus dieser großen Anstrengung, der akkordierten Serie von Kulturkonferenzen, ist geradezu der Klassiker und ereignete sich am Vortag der Konferenz.
+) Einwand: „Du forderst Genauigkeit, bist aber selbst ungenau, hörst nicht zu. Deshalb hast Du es nicht verstanden.“
+) Kru: „Ich hab es sehr gut verstanden, aber ich stimme Dir nicht zu.“
+) Einwand: „Nein, Du hast es nicht verstanden.“
Damit bin ich per Zuschreibung gewissermaßen ein Foucault’sche (Not-) Fall; oder milder ausgedrückt: in einem Foucault’schen Zustand. Das bedeutet: Vernunftflüchtling oder Delinquent. Volkstümlicher ausgedrückt, mit den Worten meines einstigen Lehrherren: „Bist Du zu blöd oder willst Du nicht?“
Mein augenblickliches Fazit: der Zustand eines Dissidenten müßte gestattet sein, auch wenn er offenbar in dieser großen kulturpolitischen Anstrengung unerwartet auftaucht. Das Wort leitet sich von „dissidere“ ab, das bedeutet frei übersetzt etwa: „daneben sitzen“.
Sowas ergibt sich aus Dissens, der in unserer Kultur eher nicht als anregendes Phänomen empfunden wird. Was dann aber schlüssig ist: der Dissident hat keinen Anspruch gehört zu werden. Der Vorteil unserer Kultur bleibt freilich: das handelt aber von einem Recht auf eine Nischenexistenz. Voila!
— [Das Weizer Panel] —
— [The Long Distance Howl] —