Was (k)eine Kunst ist

Sie haben es vermutlich selbst schon öfter gesagt: „Das ist keine Kunst!“ Damit meinen wir meist, daß keine besondere Leistung vorliegt, auch wenn sich jemand mit einer Sache hervortut. Jüngst hörte ich in einem Gespräch wieder einmal, wie ein Mann sagte, er habe die Motorhaube eines speziellen Fahrzeugs geöffnet, den Motor betrachtet: „Ein Kunstwerk!“

Daraus entspann sich eine kleine Plauderei, in der ich geltend gemacht habe, daß wir heute unterscheiden, was Kunst und was Kunstfertigkeit ist. Heute! Das war nicht immer so. In der Antike wurde so eine Differenzierung zuerst nicht vorgenommen. Dann kristallisierte sich heraus, daß zu unterscheiden sei, was a) die freien Künste und b) die knechtischen Künste seien. (Also Artes liberales und Artes mechanicae.)

Das benennt Kunst und Handwerk. Für den Alltag und unsere Plaudereien ist das nicht so wichtig. Begriffe dürfen ruhig eine satte Streuung haben. Hauptsache unsere Verständigung gelingt. Aber manchmal will man es genauer wissen.

Ich bin derzeit mit Fotograf Richard Mayr in ein Vorhaben verstrickt, das uns sehr anregende Begegnungen liefert. In „Funkenflug“ gehen wir den letzten 200 Jahren permanenter technischer Revolution nach; und wie sich das im Leben von begeisterten Menschen heute ausdrückt.

Aktuell arbeite ich gerade mein Gespräch mit dem Techniker Heribert Lanzer auf. Eine faszinierende Persönlichkeit mit einer Berufslaufbahn, bei der sich durch die Leistungen des Mannes der Lauf einiger Dinge geändert hat; und zwar weltweit.

Der Schnittpunkt
Dabei ist sein Einfallsreichtum bemerkenswert, der sich an Problemen und Aufgaben entzunden hat. Darin findet sich ein Brückenschlag zwischen der greifbaren Welt physischer Gegenstände und dem Abstraktionsvermögen des Ingenieurs. Ich denke, das ist ein zentraler Punkt in Lanzers Geschichte. Dieses hohe Niveau an symbolischem Denken, zu dem er in der Lage ist.

Sehen Sie? Da ist nun der Schnittpunkt zwischen Kunst und Kunstfertigkeit. Hier schöpfen Künstler und Techniker aus den gleichen Quellen. Aber was macht nun den Unterschied? Ich hab es dem Mann mit der Motorhaube und dem Motor-Kunstwerk so erläutert. Intention und Funktion machen den Unterschied. Die Absicht, das Konzept, wo und wie ein Werk schließlich wirksam wird.

Die einfache Faustregel: Wenn es der praktischen Alltagsbewältigung dient, ist es kein Kunstwerk, denn die Kunst ist nicht da, um für Alltagsbelange nützlich zu sein. Kunst liefert uns ästhetische Erfahrungen, also: Wahrnehmungserfahrungen. Sie ist das Feld des puren symbolischen Denkens, um sich in etlichen Bereichen auch zu materialisieren, über Handfertigkeit zu manifestieren.

Aber auch Handwerk hat seine Momente von Schönheit. Ebenso läßt sich in technischen Lösungen manchmal Poesie finden, mindestens Eleganz. Die Genres haben fraglos ihre Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Doch die Anlässe und die Zielsetzungen unterscheiden sich meist.

Nuancen bleiben wichtig. Begriffe auch. Wie Sie Tisch und Sessel begrifflich unterscheiden, obwohl man auf beiden sitzen kann. Und Lanzer? Ich bin fasziniert, wenn ich zuhören kann, wie er wesentliche Dinge gemacht, interessante Probleme gelöst hat. Mayr und ich arbeiten das gerade in einer Serie von Videoclips auf. Hier eine weitere Garnitur:

+) Heribert Lanzer, Techniker (Clip #3 & #4)

Postskriptum
Das Autogramm habe ich mir neben den T3 syncro im Buch „Puch Werk II“ von Erich Mayr erbeten; erschienen im Weishaupt Verlag.

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Mobilitätsgeschichte abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.