Ich muß auf die Knie, um meine Schuhe zu binden, denn bei meiner Gymnastik-Allergie ist ein anderer Modus aussichtslos, außer ich hab eine Stufe oder Bank vor mir. Nun also auf die Knie, was ich nur mit leisem Ächzen schaffe. Den angebotenen Schuhlöffel hatte ich ausgeschlagen, so viel Selbstachtung schien mir nötig. Um die Situation zu mildern, sagte ich dabei: „Ich brauch das.“ Darauf Hans Fischer: „Ist dein einziger Sport, gell.“
Solche Details zeigen mir, wie jemandes Verstand arbeitet. Ich bin darauf angewiesen, daß mich Menschen mit leistungsfähigem Verstand umgeben, weil ich sonst Gefahr liefe, Monate und Jahre in einer Depression hängenzubleiben. Das kommt, weil ich neben meiner Gymnastik-Allergie auch eine Deppen-Allergie habe. (Wenn die anspringt, haut es mich in eine depressive Phase.)
Ich hab Fischer jüngst bei der Vernissage seiner Frau Gabi Troester kennengelernt. Und zwar hauptsächlich dadurch, daß er vorzüglichen Wein ausgeschenkt hat und dabei nicht geizig schien. (Siehe: „Die Kraft eines Abends“!) Wir haben jetzt erst über Gott, aber damals schon über die Welt geredet. „Gott und die Welt“ ist das große Thema, zu dem man nie falsch liegen kann.
Genau deshalb sind mir geistreiche Leute so wichtig, denn im Themen-Spektrum „Gott und die Welt“ zeigt sich meist sofort, ob jemand nur Befindlichkeitsprosa raushaut, also von den eigenen inneren Zuständen erzählt, oder auch andere Zusammenhänge zu erörtern weiß.
Wir hatten über Politik zu reden, über Konzepte von Redlichkeit, über „Gutes Regieren“ und das Verhältnis der drei Sektoren zueinander: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Fischer kommt aus der Wirtschaft, ich lebe seit bald 50 Jahren in der Kunst. Das ergibt anregende Kontraste.
Fischer wohnt nahe eines Waldstückes, derzeit Gegenstand einer wachsenden Debatte über kollidierende Interessen. Ich kenne diese Passage vor allem von meinen Steifzügen, bei denen ich mir dort, am oberen Ende, ums Haar meine einzige gute Hose an einem stabilen Holzzaun ruiniert hätte.
Ich hab ein Faible für Zäune. Hier zum Beispiel ein Ensemble regionaler Zaunsäulen: [Link] Aber vielleicht sollte ich den Titel dieser Glosse noch erläutern. Mir ging auf dem Heimweg von Fischer und Troester diese Foucault’sche Sache durch den Kopf, diese große Frage der abendländischen Disziplinierung: „Bist du ein Vernunftflüchtling oder ein Idiot?“
Mein einstiger Lehrherr, unter Garantie kein Foucault-Anhänger, hatte das in manchen Fällen etwas volkstümlicher formuliert: „Bist du zu blöd oder willst du nicht?“ Also kam mir unter dem vollen Mond eine Floskel in den Sinn, die zwar bei uns nicht verbreitet ist, aber eine gewisse phonetische Schönheit zeigt: „Hast du einen an der Waffel?“
Das ist so viel eleganter als etwa jene Fangfrage aus dem Gemeindebau, in dem ich aufgewachsen bin: „Haben sie dir ins Gehirn geschissen?“ Sie sehen, um es mit Markus Lüpertz zu sagen, wie streben nach Qualität und Vollendung. Dazu kommt noch ein bezauberndes Detail. Ich hab erst vor einiger Zeit entdeckt, daß es den Fachbegriff „Flachwaffel“ gibt.
Das wird auch in Suchmaschinen ausgewiesen; zum Beispiel: „Flachwaffeln: Hersteller, Händler, Lieferanten“. Meine Profession verleitet mich stets dazu, auf solchen Kontext zu reagieren, auch wenn das nun rational nicht erklärt, weshalb ich diese Glosse „Waffel“ betitelt hab. Aber das finden wir vielleicht noch heraus. [Fortsetzung]
+) Siehe dazu auch: „Wiese, Wiese, Wiese“ und
+) Die Wiese (Ein Sturzraum meiner Gedanken)