Was es wiegt… #68: Begründen statt verkünden!

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Gleisdorfs Stadtpolitik wurde zur hiesigen Unruhe auf spezielle Art aktiv und brach in der Verständigung Richtung öffentlichem Diskurs auf; zumindest der Kulturreferent Karl Bauer und der Wirtschaftsausschuß-Vorsitzende Wolfgang Weber. Sie luden eine Runde unterschiedlicher Bürgerinnen und Bürger an einen gemeinsamen Tisch. Ende März soll dieser Schritt mit dem Gemeinderat rückgekoppelt werden.

Gemeinderat Karl Bauer und Künstlerin Monika Lafer

Das geistige Klima der Stadt ist von einiger Schlampigkeit erfüllt. Ich begegne Menschen, die bemühen sich unübersehbar um einen Staat im Staat. Sie machen sich ihre eigenen Regeln, genießen zwar Infrastruktur und übrige Leistungen der Gemeinschaft, sagen sich aber von Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft los und agieren gegen die Republik.

Was geht mich das an?
Ich könnte statt „Staat im Staat“ auch Mafia sagen. Oder Yakuza. Private Bünde, die sich nur nach den eigenen Gesetzen richten. Das paßt mir nicht. Politische und soziale Fragen müssen verhandelt werden. Ein Verkünden per Dekret und Durchsetzen mit Lärm ist Dienst an der Tyrannei.

Ich sehe mich in der Tradition Intellektueller, wie Emile Zola das etablierte, als er den französischen Staat wegen skandalöser Vorkommnisse herausgefordert hat. Ein Aspekt dieses Rollenverständnisses: der Intellektuelle bringt sich in den öffentlichen Diskurs ein, ohne dazu von Autoritäten befugt worden zu sein.

Die Gleisdorfer Unruhe
Die Gleisdorfer Protest-Community ist vor allem laut, lärmt durch die Straßen, kommt aber nicht genauer zur Sache. Es werden bloß Slogans rausgehauen. Nach Monaten gibt es immer noch kein verhandelbares Programm/Konzept.

Ich muß auf einer Basis von Wissensarbeit und Wissenserwerb bestehen. Das heißt: Begriffe klären und begründen statt verkünden. Wer das verweigert, handelt undemokratisch und vergiftet das Gemeinwesen.

Gemeinderat Wolfgang Weber (links) und Unternehmer Ewald Ulrich

Kritik ist nur das, was eine Aussage korrekt zitiert, die Quelle des Zitates nennt, schließlich konkrete Einwände vorbringt. Alles andere ist, wenn auf solche Genauigkeit verzichtet wird, Polemik. Kolorit. Geplauder, politisch irrelevant.

Deshalb haben Leute – wie etliche dieser Gleisdorfer Protest-Community – zum Beispiel die sogenannten „Mainstream-Medien“ erfunden, ohne genau zu erklären, was damit gemeint sei, und sie generell als „Lügenpresse“ denunziert.

Das bedeutet, sie wischen die Ansichten Andersdenkender weg und befassen sich weder mit genauen Zitaten, noch mit der Beachtung von Quellen, welche außerhalb ihrer Interessen liegen. Sie legitimieren ihre Aussagen hauptsächlich durch selbst produzierte „Wahrheiten“, die keiner weitere Debatte unterzogen werden dürfen.

Die Debatte aufnehmen
Ich bringe mich in die öffentlichen Diskurse ein, weil hier schon geraume Zeit ein Hegemoniekampf lärmt. Ein Streit um Deutungshoheit und Definitionsmacht. Das geistige Leben der Stadt wird Richtung Boulevard gezerrt. Komplexitätsreduktion feiert Feste. Ich sehe keinen Sinn darin, sowas zu bekämpfen. Es muß dem etwas Geistreicheres, Fundierteres gegenübergestellt werden.

— [The Long Distance Howl] —

Postskriptum
Ich kann verstehen, daß die Gleisdorfer FPÖ dieses Lärmen für Anteile einer kostenlosen Kampagne pro Kickl begrüßt, da muß einem einmal mehr politisch nichts einfallen. Aber da wär noch die Sozialdemokratie, die sich an Kolo Wallisch erinnern könnte. Da wären noch die Grünen, denen zu Anfechtungen der Demokratie scheinbar nichts einfällt. Und die Jungen? Der „Plan G“?

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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