(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Ich gebe nichts auf das Gerede von der „gespaltenen Gesellschaft“. Erlebbare Auffassungsunterschiede über Weltsicht, Lebensart und Menschenbild waren schon vor Corona eklatant. Es wurde meist nur in Nischen schlagend, oft von der Allgemeinheit unbemerkt, wenn eine Community deviante Personen markiert und schließlich sanktioniert hat.
Das tun Leute zum Beispiel, wenn sie sich erhaben und überlegen fühlen möchten, dazu für sich selbst „Normalität“ beanspruchen. Gemäß solcher Normalitätsstandards müssen sich dann anders gestrickte Leute abweichendes Verhalten vorwerfen lassen.
In Gleisdorf wird das derzeit geradezu exemplarisch durchgespielt. Seit Monaten sorgen hier allwöchentliche Protestkundgebungen für Unruhe. Die Protestierenden sind extrem kontrastreich und heterogen zusammengesetzt. Das macht es knifflig, sie anzusprechen, das macht es interessant.
Wie oft habe ich nun in direkten Gesprächen oder in Glossen Richtung Rathaus einen Appell deponiert? Im Kern: Begnügt Euch bitte nicht damit, sozial zu argumentieren (Ruhestörung) und wirtschaftliche zu argumentieren (Umsatzeinbußen). Es wird Zeit, den Menschen vom Rathaus her auch politisch zu antworten. Geschieht das? Vorerst nicht.
Was geht?
Ich bin Künstler. Ich hab mich der Wissens- und Kulturarbeit verschrieben. Also reagiere ich mit den Mitteln, die in diesen Genres gebräuchlich sind. Es gab nun eine Reihe von Begegnungen, Gesprächen, Debatten, Diskussionsrunden, durch die ich mehr denn je überzeugt bin, da wäre ein sinnvoller Ausgangspunkt zu entdecken. Einen Ausgangspunkt, von dem her wenigstens in einer Nische zu einer anderen Ebene des Konfliktes aufgebrochen werden kann.
Dieser Ausgangspunkt trägt die Aufschrift „Wir sind die Differenz“. Das handelt von einer simplen Idee. Wenn wir uns auf das Trennende konzentrieren, haben wir schnell geklärt, weshalb wir nicht einmal mehr miteinander reden müssen.
Foucault schilderte diesen antiquierten Modus in seinem Buch „Überwachen und Strafen“. Es läßt sich so zusammenfassen: Die stärkere Person teilt der schwächeren mit „Entweder du bist ein Delinquent oder ein Vernunftflüchtling“. (Ich übersetze: „Entweder du willst nicht oder du bist zu blöd“.)
Wie geht denn nun pluralistische Gesellschaft, in der Antwortvielfalt als wertvolles Gut gilt, wenn die Reizschwellen so weit unten sind und Ansichten einander energisch entgegenstehen? Ich halte das für eine interessante Aufgabe. Das Ringen um gelingende Kommunikation. Die Koexistenz von Menschen, deren Überzeugungen unvereinbar bleiben. Das sind unter anderem kulturelle Agenda. Das ist mein Metier.
Ich sehe derzeit nicht, daß sich irgendeines der kulturellen Netzwerke unserer Region in dieser Konfliktlage exponieren und bewähren würde. Also verzichte ich auf die Vorstellung eines Netzwerkes. Ich richte für mich ein autonomes Panel ein, zu dem andere Menschen ins Spiel kommen können. Das formiert sich personell jeweils themen- und projektbezogen. Als etwas Temporäres. (Gibt’s ein Thema und Grund zur Zusammenarbeit, dann gibt’s ein Grüppchen.) Ich nenne es: „Kunst & Gegenwart“ (Ein autonomes Panel) im Rahmen meines aktuellen Projektes „Prisma“ (Eine Quest).
— [The Long Distance Howl] —